Waschti und Ester: Frauenpower am Purimfest

Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel

Purim, salopp auch das "jüdische Karneval" genannt, fällt im Jahr 2014 auf den 16. März, in christlicher Zählung der Sonntag Reminiszere. Königin Ester und ihr Sieg über den Judenfeind Haman werden gefeiert. Esters Vorgängerin, die Königin Waschti, gerät dabei leicht ins Vergessen. Dabei war sie diejenige, die mit einem mutigen "Nein" gegen das patriarchale Gehabe ihres Ehemannes Ester den Weg bereitete.

An Waschti, eine "Feministin der ersten Stunde", erinnern Bibel, Midrasch und jüdische Frauen heute.

Die Geschichte von Waschti steht im Buch Ester 1,9 - 2,4. Während ihr Gemahl, der persische König Ahasveros, ein punkvolles Fest feiert, um vor den Oberen in Persien und Medien sowie vor dem eigen Volk mit seinem Reichtum zu prahlen, gibt auch Königin Waschti ein Festmahl "für die Frauen im königlichen Palast".
Am siebten Tag des Festes befiehlt der König seinen sieben Kämmerern, Königin Waschti mit ihrer Krone zu holen. Sie soll dem Volk und den Fürsten ihre Schönheit zeigen, aber "die Königin Waschti wollte nicht kommen, wie der König durch seine Kämmerer geboten hatte.". Der König wurde sehr zornig und fragte seine Weisen um Rat: "Was soll man nach dem Gesetz mit der Königin Waschti tun, weil sie nicht getan hat, wie der König durch seine Kämmerer geboten hatte?".
Fürst Memuchan sieht die Tragweite des königlichen Verhaltens:
"Da sprach Memuchan vor dem König und den Fürsten: Die Königin Waschti hat sich nicht allein an dem König verfehlt, sondern auch an allen Fürsten und an allen Völkern in allen Ländern des Königs Ahasveros. Denn es wird diese Tat der Königin allen Frauen bekannt werden, sodass sie ihre Männer verachten und sagen: Der König Ahasveros gebot der Königin Waschti, vor ihn zu kommen; aber sie wollte nicht. Dann werden die Fürstinnen in Persien und Medien auch so sagen zu allen Fürsten des Königs, wenn sie von dieser Tat der Königin hören; und es wird Verachtung und Zorn genug geben. Gefällt es dem König, so lasse man ein königliches Gebot von ihm ausgehen und unter die Gesetze der Perser und Meder aufnehmen, sodass man es nicht aufheben darf, dass Waschti nicht mehr vor den König Ahasveros kommen dürfe und der König ihre königliche Würde einer andern geben solle, die besser ist als sie. Und wenn dieser Erlass des Königs, den er geben wird, bekannt würde in seinem ganzen Reich, welches groß ist, so würden alle Frauen ihre Männer in Ehren halten bei Hoch und Niedrig."
König Ahasveros tut, was ihm geraten, und verstößt seine Ehefrau. Im nüchternen Zustand scheint er seine Tat ein wenig bereut zu haben. Er dachte "an das, was Waschti getan hatte und was über sie beschlossen war". Schnell wird eine "Königin an Waschtis statt" gesucht. Die neue Königin soll "besser" sein als die erste, wobei zu fragen ist, was moralisch verwerflich sei an Waschtis Weigerung, "ihre Schönheit von einem Haufen betrunkener Männer begaffen zu lassen"(1)
In Ester, einer Jüdin und Nachkommin der "Gefangenen von Babylon" wird eine würdige Nachfolgerin gefunden. Ihre Herkunft jedoch wird verschwiegen.

Ein Lob auf das kluge Nein im Midrasch

Waschtis klares "Nein", dem Gebot ihres Mannes Folge zu leisten, würdigt der Midrasch zum Buch Esther als kluges, angemessenes und biblisch begründetes Verhalten:
"V. 12. Aber die Königin weigerte sich d.i. sie richtete Worte an ihn, welche sein Herz berührten, sie liess ihm nämlich sagen: werde ich für schön befunden, so werden sie ihre Augen auf mich richten, um mich zu bedienen, und dich umbringen, wenn sie mich aber hässlich finden, so bist du durch mich geschändet. Allein er achtete nicht auf den Wink, auf den Stich, weshalb sie sich nun deutlicher äusserte. Du warst Stall-(Schatz-)meister in meinem väterlichen Hause und pflegtest nackte Dirnen daselbst einzuführen und jetzt, wo du zur Herrschaft gelangt bist, willst du von deiner verderblichen Sitte noch nicht zurückkehren? Allein er beachtete auch diesen Wink, diesen Stich nicht. Nun liess sie ihm sagen: Die von meinem Vaterhause verurtheilten Männer wurden auch nicht nackt in den Gluthofen geworfen, sondern, nach R. Judan, in ihren Mänteln, oder, nach R. Huna, in ihren Turbanen s. Dan 3,21". Die Argumentation geht weiter und zeigt mit biblischen Belegen: Nur die zur Hölle verurteilten Frevler werden bis auf die Haut enblößt (vgl. Ps 73,20).

Frauen heute, die in der Bibel Weisung zum Leben suchen, finden in Waschti, die es wagte, "Nein" zu sagen, "eine positive Identifikationsfigur", meint Pauline Bebe, die erste liberale Rabbinerin in Frankreich. Außerdem ebne Waschti "den Weg für Esther, indem sie dem König sein größeres Verständnis für die Bedürfnisse seiner Königin vermittelt", so Bebe.
Ester wäre gar nicht erst in ihre Stellung an der Seite des Königs gelangt, wenn die Vorkämpferin Waschti nicht gewesen wäre. Gepriesen seien die Feministinnen der ersten Stunde!

(1) Bebe, 402.

Königin Ester würdigen auf reformiert-info folgende Beiträge:
Predigt zur Königin Esther, Buch Ester 7,1-10

Reminiszere - Gedenke! - Königin Esther - Purim am 28. Februar 2010

Quellen:
Bebe, Pauline, Isha. Frau und Judentum Enzyklopädie, Egling an der Paar 2004.

Der Midrasch zum Buch Ester und der Midrasch zum Buch Echa Rabbati, zum ersten Male ins Deutsche übertragen von Lic.Dr. August Wünsche, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1881, Ein Karem-Jerusalem 2011.

Wallach-Faller, Marianne, Waschti und Esther - zwei Königinnen, zwei Stadien feministischen Bewusstseins; auf: http://www.hagalil.com/judentum/feiertage/purim/vashti-esther.htm 

 

Dieser Beitrag ist Teil der Serie (2013) "Am Rockzipfel des Judentums - Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel"
in Anlehnung an Sacharja 8,23, wo der HERR der Heerscharen spricht:
"In jenen Tagen, da ergreifen, ja ergreifen zehn Menschen aus allen Sprachen der Nationen den Zipfel einer einzigen jüdischen Person und sagen: 'Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Mit euch ist Gott.'" (BigS)


Barbara Schenck, 22. Februar 2013 und März 2014