Der Heidelberger als Vermittler zwischen Traditionen

9. Emder Tagung widmete sich der Geschichte und Wirkung des Heidelberger Katechismus

Referenten von internationalem Rang beleuchteten den Katechismus aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: schweizerische Einflüsse, ökumenische Absichten und Wirkungen, Brückenfunktion zu den Pfingstgemeinden und den religiösen Bildungsauftrag. Auch wurde der J.-F.-G.-Goeters-Preis verliehen und die Rheinische Kirche gab einen Empfang.

Für viele Interessierte sind die drei Tage Mitte März in Emden in zweijährigem Turnus ohnehin fest eingeplant. Auch diesmal kamen wiederum 80 Teilnehmer aus zahlreichen Gebieten Deutschlands, aber auch aus Ungarn, der Schweiz, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich in die Johannes a Lasco Bibliothek nach Emden. Als der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus, Prof. Dr. Matthias Freudenberg (Saarbrücken), die Tagung mit Hinweis auf den dritten Teil des Heidelberger Katechismus mit einem Wort der Dankbarkeit schloss, sprach er wohl allen aus dem Herzen, waren die drei Tage von Sonntag bis Dienstag (17.-19. März) doch wiederum voller Anregung und Begegnung gewesen.

Eröffnet wurde die Tagung vom Zürcher Kirchenhistoriker Prof. Peter Opitz. In seinem grundlegenden Beitrag über Entstehung und Kontext des „Heidelbergers“ beleuchtete er die Situation „im Licht der Schweizer Katechismustradition“. Wie sich seit einiger Zeit andeutete, wird wieder neu und verstärkt – natürlich durchaus frühere Forschungsergebnisse aufnehmend – auf die Kontakte der Kurpfälzer Theologen im 16. Jahrhundert in die Schweiz und den Einfluss Schweizer Theologen namentlich Heinrich Bullingers hingewiesen. Der „Heidelberger“ ist ein ökumenisches Produkt und führte mehrere Strömungen des Protestantismus zusammen.

Wie anregend der „Heidelberger“ dann auch heute noch (oder besser: wieder) ökumenisch wirken kann, zeigte sich bei der Verleihung des Johann-Friedrich-Gerhard-Goeters-Preises, der zu gleichen Teilen an Boris Wagner-Peterson (Böhl-Iggelheim) für seine Arbeit über Zacharias Ursinus und an Frank Ewerszumrode (Worms) für seine Untersuchung der Abendmahlslehre Johannes Calvins aus römisch-katholischer Perspektive ging. Beide stellten ihre Forschungsergebnisse vor. Durchaus bewegend erinnerte sich Ewerszumrode, dass er bereits vor Jahren so herzlich in Emden aufgenommen worden war – als Dominikaner im Habit. Calvin ist seiner Einschätzung nach einer der wichtigsten Anknüpfungspunkte für ein Gespräch zwischen protestantischer und katholischer Tradition, was er gerade an der Lehre des Abendmahls auszuführen versuchte.

Wie international die Emder Tagung aufgestellt ist, zeigt sich neben den Besuchern auch an den Referenten. Neben einem Schweizer und zwei Deutschen gab es Vortragende aus den Niederlanden und aus den USA. Der auch in Deutschland bekannte Prof. George Hunsinger (Princeton) stellte an Hand einer Abendmahlsdiskussion aus dem 19. Jahrhundert die Wirkung des „Heidelbergers“ in Nordamerika dar. Ein besonderer Höhepunkt markierte der abschließende Vortrag von Prof. Gijsbert van den Brink (Amsterdam), der unter dem eher spröden Titel „Pneumatologie des Heidelberger Katechismus“ grundlegende Ausführungen darüber anstellte, inwiefern die reformierte Tradition und damit auch der „Heidelberger“ eine Brückenfunktion zum stark wachsenden Pentekostalismus ausüben könne. In der besonderen Betonung des Heiligen Geistes, den man auch im „Heidelberger“ so nachzeichnen kann, sieht van den Brink große Chancen für vertiefende und erfolgreiche Gespräche mit der weltweiten neueren Pfingstbewegung, die von westlicher Theologie nicht mehr wie zu früheren Zeiten zu schulmeistern sei. Der Göttinger Praktische Theologe Prof. Bernd Schröder, ausgewiesener Kenner der Geschichte der Religionspädagogik, ließ seine religionspädagogische Relektüre des „Heidelbergers“ in kritische Nachfragen an die gegenwärtigen Vertreter des „Heidelberger“-Erbes gipfeln: Wenn derzeit keine renommierten reformierten Religionspädagogen (und Praktische Theologen überhaupt) in Deutschland auszumachen seien, dann müsste man sich energisch fragen, wo es entweder Defizite in der eigenen Tradition gäbe oder aber wo man gegenwärtig den Anschluss an die aktuellen Debatten nicht fände.

Am Montagabend gab die Evangelische Kirche im Rheinland einen Empfang. Der kürzlich eingeführte neue rheinische Präses Manfred Rekowski war für seine erste „Auslandsreise“ von Düsseldorf nach Emden angereist und wurde herzlich auch durch Kirchenpräsident Jann Schmidt von der Evangelisch-reformierten Kirche begrüßt. Der Abend begann mit einem allgemein verständlichen Vortrag von Prof. Christiane Tietz (Mainz) über „Religiöse Bildung im säkularen Staat“, bei dem auch einige Ehrengäste aus Politik und Kultur anwesend waren. Frau Tietz verdeutlichte den Unterschied von Säkularität, Säkularisation, Säkularisierung und Säkularismus und kontextualisierte die in Deutschland praktizierte Idee einer „positiven Religionsfreiheit“ in ihren historischen Entwicklungen.

Gespräche und Austausch, Geselligkeit und Gemeinschaft prägten diesen Abend und die ganze Tagung. Versammelten sich die Teilnehmer morgens in der Früh zum Gottesdienst in der Schweizer Kirche, so genossen sie am Montagnachmittag entweder eine Orgelexkursion nach Rysum oder eine Führung durch die Menso-Alting-Ausstellung in der Großen Kirche Emden und dem Landesmuseum. Eine besondere Form des Austausches unter den Teilnehmenden stellen nach wie vor die Kurzvorträge dar, die in jeweils vier Gruppen parallel angeboten werden und die ausführlich besprochen werden können. Der Bogen spannte sich von grundlegenden und inhaltlichen Fragen über Hermeneutik, Einzelthemen oder Fragenkomplexe des „Heidelbergers“ zu wirkungsgeschichtlichen Fragestellungen in Regionen (etwa: Bern), in Epochen (etwa: 19. und 20. Jahrhundert) und zu Personen (etwa: F.A. Lampe).

Es ist geplant, einen Band mit Beiträgen dieser 9. Emder Tagung noch in diesem Jubiläumsjahr des „Heidelbergers“ erscheinen zu lassen. Und natürlich ist bereits jetzt die 10. Emder Tagung anvisiert. Sie wird vom 15. bis zum 17. März 2015 stattfinden.