Setze Flug fort

Gedanken zu Christi Himmelfahrt (Apostelgeschichte 1,8-11)


Blick auf die Erde © Burkhard Mücke / Wikicommons

von Kathrin Oxen, Leiterin des Zentrums für evangelische Predigtkultur, Wittenberg

8 Ihr werdet aber Kraft empfangen, wenn der heilige Geist über euch kommt,
und ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samaria
und bis an die Enden der Erde.
9 Als er dies gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben,
und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
10 Und während sie ihm unverwandt nachschauten,
wie er in den Himmel auffuhr,
da standen auf einmal zwei Männer in weissen Kleidern bei ihnen,
11 die sagten: Ihr Leute aus Galiläa, was steht ihr da und schaut hinauf zum Himmel?
Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde,
wird auf dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn in den Himmel habt auffahren sehen.

"Beobachte Erde. Sicht gut. Höre alles ausgezeichnet. Der Flug geht gut vonstatten. Beobachte Erde. Gewisse Abschnitte von Haufenwolken bedeckt. Stimmung munter. Setze Flug fort. Alles funktioniert vortrefflich!" - Ein Originalmitschnitt der Funkverbindung zwischen Raumschiff und Kontrollzentrum. Es sind Worte Juri Gagarins, der 1961 als erster Mensch im Weltraum gewesen ist. Nach seiner Rückkehr soll er behauptet haben, er habe im Weltraum Gott nicht gesehen. Wie so viele gute und einprägsame Zitate ist auch dieses erfunden, aber mit Absicht. Als Bestätigung für ein atheistisches, ausschließlich naturwissenschaftlich fundiertes Weltbild. Gut geeignet, um das Christentum abzuwerten und lächerlich zu machen. Die Folgen dieser Abwertung spüren wir bis heute, besonders hier bei uns im Osten Deutschlands. Wer glaubt denn so eine Geschichte?

Über fünfzig Jahre nach dem ersten Weltraumflug ist längst klar, dass auch die Naturwissenschaft nicht alle Antworten auf unsere Fragen geben kann. Mehr als einen steifen Nacken bekommt man auf Dauer nicht, wenn man stehen bleibt und angestrengt in den Himmel hinaufschaut, egal mit welcher Absicht.

Die Geschichte von der Himmelfahrt Jesu lenkt den Blick weg vom Himmel und hin zur Erde. Was ist hier, unter uns, zu sehen? Menschen, die das Loslassen üben müssen. Wenn einer weggeht, für immer, dann spürt man am stärksten, was er einem bedeutet hat. Dann beginnt er schon zu fehlen, noch bevor er ganz weg ist. Man möchte vor der Gegenwart fliehen, in die Erinnerung, in die Vergangenheit zurück. Wir wissen genau, dass das nicht möglich ist und haben doch Sehnsucht danach.

Aber nur weil Jesus uns verlassen hat, kann er immer bei uns sein. Nur wer nicht ständig nach oben starrt, nimmt wahr, was um ihn herum geschieht, sieht die anderen, spürt, dass er nicht allein ist. Von den Jüngerinnen und Jüngern wird erzählt, dass sie wieder zusammengekommen sind, nachdem Jesus endgültig weg war. Keiner muss mehr alleine seinen Erinnerungen nachhängen, sondern gemeinsam sind sie an den Ort gegangen, an dem sie mit Jesus Abendmahl gefeiert haben. Als sie das Brot brachen und den Kelch teilten, hat sich die Erinnerung für einen kostbaren Moment wieder in Gegenwart verwandelt.

Wer nicht nach oben schaut, entwickelt einen Blick für die Erde. Die ersten Christen waren glaubwürdige Zeugen für die Botschaft, die Jesus verkündigt hatte. Bei ihnen wurde geteilt und geheilt. Die Kraft dazu kommt von woanders her. Und die Verbindung kommt von Jesus, der sagt:

"Beobachte Erde. Sicht gut. Höre alles ausgezeichnet. Der Flug geht gut vonstatten. Beobachte Erde. Gewisse Abschnitte von Haufenwolken bedeckt. Stimmung munter. Setze Flug fort. Alles funktioniert vortrefflich!"

Auch erfunden, aber auch schön:

"Kurz nach Juri Gagarins erstem Raumflug wurde ein Empfang zu seine Ehren gegeben, bei dem auch der Pope der Russisch-Orthodoxen Kirche, Alexis I., anwesend war: ‚Haben sie Gott gesehen, als Sie im All waren?’ Juri verneinte. ‚Mein Sohn’, sagte Alexis daraufhin, ‚bitte behalten sie das für sich.’

Kurz darauf stellte Nikita Chruschtschow Juri dieselbe Frage. Aus Respekt vor Alexis I. erwiderte Juri, er habe Gott gesehen. ‚Lieber Juri’, bat Chruschtschow ihn dringend, ‚bitte verraten sie das niemandem.’"


Kathrin Oxen, Leiterin des Zentrums für evangelische Predigtkultur, Wittenberg