Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe

Predigt zu 1. Korinther 13,13 von Elke Kuhn

"Glaube, Liebe, Hoffnung", so heißt eine Seefahrerkneipe, ein Tattoo-Studio, eine Werbeagentur. Die drei Worte lösen "bei vielen Menschen etwas aus, vielleicht die Erinnerung an oder die Sehnsucht nach einer Haltung, die dem eigenen Leben Sinn und Halt verleiht, nach etwas, was bleibt, auch wenn alles andere um uns herum fragwürdig ist und verfällt", so Elke Kuhn.

Predigt am 10. November 2013 in der Predigtreihe zu 1. Korinther 13 in der Antoniterkirche im Jahr 2013

Liebe Gemeinde,

in den letzten 10 Monaten sind Sie hier einen Weg miteinander gegangen; einen Weg, den zu beschreiten der Apostel Paulus eingeladen hat, als er schrieb: „Dann will ich euch einen Weg zeigen, der weit besser ist“ – besser nämlich als die vielen Gaben, die man sonst noch so in einer christlichen Gemeinde finden kann. Er meinte den Weg der Liebe, den er in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth so eindrücklich beschrieb. Seine Gedanken zu diesem Weg haben Sie kennen gelernt, angefangen von den geradezu schwärmerischen Beschreibungen der Liebe bis zu der Feststellung unserer nur vorläufigen, bruchstückhaften Erkenntnis in dieser Welt.

Und nun kommt Paulus zum Abschluss seiner Ausführungen über die Liebe: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.“

Ist schon das ganze sogenannte Hohelied der Liebe einer der meistzitierten biblischen Texte, so ist es dieser Vers 13 erst recht. Unzählige Brautpaare wählen ihn zum Trauspruch, in der Hoffnung, dass auch in ihrer Beziehung die Liebe unvergänglich sein möge. Aber auch außerhalb kirchlicher Räume wird dieser Vers geradezu inflationär zitiert. Ich habe interessehalber die Worte „Glaube, Liebe, Hoffnung“ mal in eine Suchmaschine im PC eingegeben und bin auf zahlreiche, teils erstaunliche Einträge gestoßen:

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ – so heißt eine Seefahrerkneipe in Wyk auf der nordfriesischen Insel Föhr, den Kommentaren von Gästen zufolge „die urigste Kneipe der Insel“. Mit diesem Namen verbindet sich offenbar eine gewisse Seefahrerromantik. Nicht umsonst heißt auch eine Ausstellung, die noch bis Ende des Jahres in Hamburg zu sehen ist, „Glaube, Liebe, Hoffnung“. Sie zeigt Fälle von Seenot und Rettung und erinnert daran, was es bedeutet, als Schiffbrüchiger allein auf hoher See zu sein, bemüht, den Glauben und die Hoffnung nicht zu verlieren. Eine Rettung kommt einem Wunder gleich und wird von vielen, die das erlebt haben, als Geschenk eines zweiten Lebens empfunden.

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ – das ist außerdem der Name einer Lokalität in Berlin-Charlottenburg. Sie soll betont nicht so sein wie andere Sport-Bars, sich herausheben aus der Masse, und deshalb natürlich auch nicht so heißen wie die anderen. Es gibt hier regelmäßig Ausstellungen und sonntags den Tatort. Was dies allerdings mit „Glaube, Liebe, Hoffnung“ zu tun haben könnte, bleibt unklar.

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ – so heißt aber auch eine Werbeagentur in Flensburg, die damit wirbt, dass sie das Unternehmenskonzept ihrer Kunden verinnerlicht und an deren Erfolg glaubt. Der Name suggeriert also, dass die Kunden hier auf jeden Fall verstanden und gemocht werden, und dass der erhoffte Erfolg geradezu garantiert wird.

Unter dem gleichen Namen gibt es auch eine Agentur für Kommunikation und Design. Sie will Menschen bewegen und begründet ihren Namen damit, dass Glaube, Liebe, Hoffnung die Leidenschaften seien, die Menschen bewegen.

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ – das ist schließlich auch der Name eines Tattoo-Studios. Er spiegelt wieder, dass die Symbole für diese drei Worte – das Kreuz für den Glauben, das Herz für die Liebe und der Anker für die Hoffnung – eines der beliebtesten Motive für Tattoos sind, die in unzähligen Varianten Oberkörper und Arme schmücken.

Offenbar lösen die drei Worte bei vielen Menschen etwas aus, vielleicht die Erinnerung an oder die Sehnsucht nach einer Haltung, die dem eigenen Leben Sinn und Halt verleiht, nach etwas, was bleibt, auch wenn alles andere um uns herum fragwürdig ist und verfällt.

Glaube, Hoffnung, Liebe gelten seit alters her als die drei göttli­chen oder christlichen Tugenden. Auch Paulus hat diese dreigliedrige Formel offenbar schon vorgefunden; jedenfalls zitiert er sie außer an dieser Stelle noch an drei weiteren. „Tugenden“ – das sind keine konkreten Handlungsanweisungen wie z.B. die zehn Gebote, sondern meinen eine innere Haltung. Traditionell gibt es davon sieben. Denn Papst Gregor ergänzte im 6. Jahrhundert diese göttlichen Tugenden durch die vier aus der antiken Philosophie übernommenen Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.

Von allen diesen sieben Tugenden ist in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr viel zu spüren. Aber da die drei christlichen oder göttlichen Tugenden so häufig zitiert werden, fällt deren Bedeutungsverlust umso mehr auf. Wem bedeutet denn „Glaube“ noch etwas? Unter meinen Schülerinnen und Schülern sind es bis auf wenige Ausnahmen nur die mit islamischem Hintergrund, bei denen Glaube eine tragende Rolle in ihrem Leben spielt. Die meisten verstehen dabei Glauben als ein „Für-wahr-halten“. Damit haben aber viele kritische Jugendliche, die ja gerade dabei sind, ihren eigenen Weg zu finden, nichts einfach unhinterfragt gelten zu lassen, naturgemäß ihre Schwierigkeiten. Wenn sie mich fragen, ob ich eigentlich glaube, muss ich erst mal vorausschicken, dass ich Glaube anders verstehe, nämlich als Vertrauen, sich getragen und geliebt wissen. Und dass Glaube nicht ausschließt, dass ich auch mal zweifeln oder gar mit Gott hadern darf. Das ist für meine muslimischen Schülerinnen und Schüler besonders schwer auszuhalten. Der Islam kennt nur den Hiob, der die Prüfung seines Glaubens souverän meistert, nicht aber den Hiob, der Gott ob seiner ungerechtfertigten Leiden anklagt.

Und wie steht es mit der Hoffnung? Ich kenne niemanden, bei dem die Hoffnung ein Inbegriff seiner inneren Haltung wäre. Wir hoffen auf gutes Wetter oder darauf, dass unsere Lieblingsmannschaft gewinnt, aber das wird wohl kaum die Art von Hoffnung sein, die Paulus meinte. Da geht Hoffnung viel weiter. Aus dem bisherigen Handeln Gottes in der Geschichte kann der Christ die Zuversicht schöpfen, dass Gott auch in der Zukunft und auch über diese hinaus sein Leben begleitet. Damit ist Hoffnung ein Schlüsselbegriff, der Christen auf der ganzen Welt miteinander verbindet. Selbst Tod, Krankheit und Abschied löschen die christliche Hoffnung nicht aus. Menschen ohne Hoffnung dagegen verlieren einen Grundantrieb zum Leben. Wie hoffnungslos muss beispielsweise ein Familienvater sein, der die Mutter seiner Kinder vor deren Augen ermordet und damit nicht nur ihr Leben, sondern zugleich sein eigenes und das seiner ganzen Familie zerstört?

Dass Hoffnung mehr ist als nur das Hoffen auf gutes Wetter, wissen auch meine Schülerinnen und Schüler. Wenn wir uns zu Beginn der Oberstufe mit der Frage beschäftigen, was eigentlich Religion ist, lege ich ihnen eine ganze Reihe mehr oder weniger bekannter Definitionen vor und frage sie, welche am ehesten ihrem eigenen Verständnis von Religion entspricht. Viele stimmen dann am ehesten einem Zitat von Ernst Bloch zu: „Wo Hoffnung ist, ist Religion.“ Sie kennen Bloch und seine Philosophie zwar nicht. Aber sie erläutern ihre Wahl mit einem Verweis darauf, dass der Mensch ohne Hoffnung gar nicht leben könnte, und dass es deshalb geradezu die Pflicht einer Religion sei, Hoffnung zu schenken.

Und die Liebe? Von der Liebe wird zwar viel geredet, aber sie bleibt doch oft genug eine tiefe unerfüllte Sehnsucht, überfrachtet mit Ansprüchen und Erwartungshaltungen, denen kaum jemand auf Dauer gerecht werden kann. Wer ist schon immer so geduldig, so selbstlos, so leidensfähig und frei von Eifersucht, wie die Liebe im ersten Korintherbrief bejubelt wird?! Dass die Liebe im Gegenteil ständig in Not gerät, belegen doch die gut besuchten Beratungsstellen im Land.

Und so trifft muss man zumindest teilweise Günter Grass recht geben, der über die göttlichen Tugenden einmal geschrieben hat: „Glaube, Hoffnung, Liebe sind die Ladenhüter des Neuen Testamentes“. Es sind Begriffe, mit denen viele Menschen heute nicht mehr viel anfangen können, die geradezu „out“ sind oder Worthülsen für ganz anders Gemeintes. Doch was kommt heraus, wenn uns Glaube, Liebe und Hoffnung gänzlich fehlen? Ein bekanntes deutsches Kabarett hat dies einmal so skizziert:

Lebensangst und Kreislaufstörung,

Hasten, Jagen, Kampf und Gier.

Was stabil ist, ist die Währung,

was labil ist, das sind wir.

Lass die Puppen schneller tanzen,

ohne Ziel in dem Getriebe,

hochgepeitscht durch Dissonanzen,

ohne Glaube,

ohne Hoffnung,

ohne Liebe.

Das wäre in der Tat eine sehr traurige Analyse des modernen Menschen. Vielleicht ist es darum gar nicht so schlecht, dass sich so viele diese Worte und ihre Symbole als Tattoo stechen lassen. Denn so halten sie wenigstens die Idee davon wach, dass der moderne Mensch auch anders sein könnte.

Ein Beispiel dafür lieferte das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden, als das nach dem Amoklauf von 2009 mit insgesamt 16 Toten und 11 zum Teil schwer Verletzten umgebaute Schul­gebäude der Albertville-Realschule neu eingeweiht wurde. Bei diesem Anlass übergab das Aktionsbündnis eine Spende von 300 Euro an die Ökumenische Schulgemeinschaft, die ganz wichtige Seelsorgearbeit zur Aufarbeitung der Geschehnisse geleistet hatte. Es wurden symbolisch drei große 100-Euro-Scheine übergeben. Auf dem ersten Schein stand das Wort „Glaube“. Gedacht war dabei an den Glauben an das Gute im Menschen, aber auch an den Glauben als eine Mut machende Kraftquelle, die helfen kann, mit solch schlimmen Erlebnissen weiterleben zu können. Auf dem zweiten Schein stand das Wort „Liebe“. Es sollte daran erinnern, dass die Liebe Menschen trägt und vieles erträglicher macht, aber auch, dass die Liebe das ist, was bleibt. Auf dem dritten Schein stand das Wort „Hoffnung“, zusammen mit einer Sonne. Der Gedanke dahinter war, dass beides Energie, Licht, Leben und Wärme gibt.

Die Menschen vom Aktionsbündnis haben gespürt, dass es tröstlich ist, bei so vielen Toten und Trauernden, abgerissenen Beziehungen und zerstörten Lebensträumen auf das zu verweisen, was von Dauer ist, was all dies übersteht. Dass wir Menschen uns nach etwas Bleibendem sehnen, das bringt auch der Text der Lesung zum Ausdruck, die wir vorhin gehört haben. Sie erinnern sich vielleicht, dass der König David dem Gott gerne ein festes, bleibendes Haus bauen will. Aber Sie erinnern sich sicher auch noch daran, dass Gott genau das ablehnt. Er will zwar bleibend da sein für sein Volk, aber er will kein solches Haus, er will sich nicht dingfest machen lassen. Die Leichtigkeit eines Zeltes entspricht seiner Freiheit und Souveränität viel eher als ein Haus. Im Gegenzug sagt er aber dem König David zu, dass er ihm, also Gott dem David ein Haus bauen will, und dass dieses Haus Bestand haben soll in Ewigkeit. Und er ver­spricht, dass sein Nachfolger Gott ein Haus bauen darf. Diese Wendung finde ich sehr fürsorglich, drückt sie doch aus, dass Gott es sieht und versteht, dass wir Menschen das brauchen: Etwas, das Bestand hat, woran wir uns halten können, wo doch unser Wissen und Erkennen nur bruchstückhaft sind. Darum brauchen wir auch feste, bleibende Orte, wo Gottes Name wohnt und in denen es zur Begegnung mit ihm kommen kann. Für unser Bedürfnis nach etwas Bleibendem gibt er ein Stück seiner Freiheit auf.

„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.“ So formuliert es Paulus. Für ihn drücken diese drei Tugenden das aus, was von bleibendem Wert und von bleibender Bedeutung ist, auch wenn alles andere Stückwerk und vergänglich ist. Und für ihn gehören diese drei ganz eng zusammen. Denn wenn die Liebe gefährdet ist, durch Enttäuschungen, Eifersucht oder Routine, dann müssen immer wieder auch der Glaube und die Hoffnung einspringen, um an der bedrohten Beziehung festhalten zu können, um im Anderen immer noch das Liebenswerte zu sehen. Wenn diese Einheit zerfällt, dann verliert der Mensch jeden Halt. Dann kommt es unter Umständen zu solchen Familiendramen wie dem Mord in Dünnwald.

Wenn Paulus sagt, „die Liebe ist die Größte unter ihnen“, dann will er damit sagen, dass erst die Liebe Glaube und Hoffnung zu einer nichtdogmatischen und gütigen Lebenshaltung macht. Denn Glaube ohne Liebe macht dogmatisch. Das belegen zu Genüge Fundamentalisten aller Religionen, die meinen, sie täten Gott einen großen Gefallen, wenn sie Andersgläubige verteufeln oder gar umbringen. Und Hoffnung ohne Liebe macht egoistisch. Denn wenn ich nur auf mich bezogen bin, dann endet die Hoffnung bei mir und meinem Wohlergehen. Aber christliche Hoffnung ist immer auch auf die Gemeinschaft bezogen, immer auch auf das Wohl des Nächsten.

Uns bleiben also Glaube, Hoffnung und Liebe. Aber wir müssen offenbar immer daran arbeiten, dass sie uns einen dauerhaften Halt auf dem Weg durch unser Leben geben können. Dann können wir am Ziel des Weges mit dem Dichter Hölderlin sagen:

Glaube und Liebe und Hoffnung sollen nie aus meinem Herzen weichen. Dann gehe ich, wohin es soll, und werde gewiss am Ende sagen: Ich habe gelebt. Und wenn es kein Stolz und keine Täuschung ist, so darf ich wohl sagen, dass ich in jenen Stunden nach und nach, durch die Prüfungen meines Lebens, fester und sicherer geworden bin.

Amen.


Elke Kuhn, 10. November 2013
Predigt zu Römer 12 von Marten Marquardt

Leiblichkeit - Nachdenken - Nonkonformismus
Predigt zu 1 Kor 13, 11 von Maria Baum, Köln

Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, überlegte wie ein Kind. Als ich aber erwachsen war, hatte ich das Wesen des Kindes abgelegt. (Züricher Bibel) - "Paulus nutzt diesen Satz geschickt. Er sagt den Korinthern damit: Bei der Wiederkunft Christi werden die Charismen, um deren Wertigkeiten Ihr Euch heute streitet, wie die Worte und Sehnsüchte und Gedanken eines Kindes, das zum Mann geworden ist, verfliegen."
von Marten Marquardt

Ihr eifert nach den grössten Gaben? Dann will ich euch einen Weg zeigen, der weit besser ist. - 1. Kor 12, 31
Predigt zu 1. Korinther 13,1-3

von Pfr. Dr. Kai Horstmann, Gemeindedienst für Mission und Ökumene (GMÖ) Region Köln Bonn
von Pfarrer Holger Pyka im ''einfachen Gottesdienst'', Antoniterkirche Köln

Predigt über 1 Kor 13,4. Von Hans Theodor Goebel, Köln

"Die Liebe ist langmütig. Und freundlich ist die Liebe. Sie eifert nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf."
Predigt von Johannes Voigtländer im ''einfachen Gottesdienst'', Antoniterkirche Köln

1. Korinther 13,6 „Wo Unrecht geschieht, freut sie sich nicht (die Liebe), vielmehr freut sie sich mit anderen an der Wahrheit.“