Zum Wochenlied: Mit Ernst, o Menschenkinder

Gedanken für die Woche des 3. Advents. Von Sylvia Bukowski

Ein Herz, das Demut liebet bei Gott am höchsten steht; ein Herz, das Hochmut übet, mit Angst zugrunde geht. Ein Herz, das richtig ist und folget Gottes Leiten, das kann sich recht bereiten, zu dem kommt Jesus Christ. - EG 10, 3. Strophe

Als junge Frau und auch als junge Pfarrerin habe ich das Wort Demut gehasst. Ich habe damit schüchtern gesenkte Köpfe, krumme Rücken und Menschen ohne eigene Meinung assoziiert, eine Un-Tugend, die vor allem Frauen jahrhundertelang zur Unterordnung gezwungen hat. „Bild dir bloß nichts auf dich ein!“ „Geh immer schön den untersten Weg!“ Und: „Wehe, du widersprichst! Wer bist du denn! Das steht dir nicht zu!“ mit solchen Sätzen sind viele ältere (Frauen) damals noch aufgewachsen!

Auf dem Programm der Studentenbewegung und der kirchlichen Erneuerung stand deshalb ganz oben der aufrechte Gang, der Mut zur Aufmüpfigkeit, sprich: zur Kritik an den Autoritäten, und die Fähigkeit, sich selbst gegen andere zu behaupten. Und ganz sicher war das ein nötiger Emanzipationsprozess von einem Untertanengeist, der nicht nur Frauen lange Zeit klein und unmündig gehalten hat.

Aber gerade bei Nelson Mandela wird deutlich, dass ein starkes Selbstbewusstsein nicht im Gegensatz zu einer recht verstandenen, zu einer biblisch verstandenen Demut steht, sondern deren Voraussetzung ist. Ein solche Demut befähigt dazu, in angemessener Weise eigene Grenzen zu erkennen und einen kritischen Blick auf sich selbst zu behalten.

Mandela konnte im Gefängnis stolz sagen: „I am the master of my fate, I am the captain of my soul.“

Aber nach seiner Freilassung konnte er sich in seinem Umgang mit anderen selbst zurücknehmen, aufmerksam zuhören, von anderen lernen und andere stark machen. Mit seiner selbstbewussten Bescheidenheit konnte er zudem dem unter Politikern so verbreiteten Größenwahn widerstehen.

Nehmen Sie auf diesem Hintergrund das Lied der kommenden Woche daher einmal als Anstoß, neu über Demut nachzudenken, und darin eine widerständige Tugend zu entdecken, die in Zeiten grenzenloser Gier und Selbstanmaßung Mut erfordert und einen heilsamen Wert erhält. Denn im Interesse künftiger Generationen müssen wir wieder lernen, Grenzen zu akzeptieren, im Konsum und im Lebensstil, und weder uns selbst noch andere dürfen wir ständig mit zu hohen Erwartungen überfordern. Es gilt zu erkennen, was genug ist, um „Genüge“, eine andere Bedeutung von Schalom zu finden, und „vergnügt“ leben zu können. Das ist letztlich auch das Ziel von Gottes Leiten, von dem diese Strophe spricht.

Sylvia Bukowski, Dezember 2013

EG 10 auf Wikipedia

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Ein Impuls zum Wochenlied von Sylvia Bukowski