5 Streitfragen: Garnisonkirche

Was Befürworter und was Kritiker der Wiedererrichtung der Garnisonkirche zu Potsdam sagen


Unliebsame Vergangenheit: Die Garnisonkirche zierte 1934 auch die 2- und 5-Reichsmarkmünzen © Wikipedia

Die Wiedererrichtung der Garnisonkirche Potsdam sorgt nach wie vor für Diskussionen. reformiert-info.de sprach mit verschiedenen Beteiligten und Interessenten.

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist beschlossene Sache. Trotzdem kommt es nach wie vor zu Diskussionen um das Projekt. Besonders zur Frage nach der geschichtlichen Aufarbeitung herrscht Uneinigkeit. Wir sprachen mit Wieland Eschenburg, Sprecher der Stiftung Garnisonkirche, die seit 2008 das Ziel des Wiederaufbau der Garnisonkirche verfolgt. Außerdem mit Cornelia Radeke-Engst, Pfarrerin der provisorischen Nagelkreuzkapelle auf dem Gelände der Garnisonkirche. Die Friedensarbeit möchte sie nach Errichtung des Turmes weiter ausbauen. Publizist Matthias Grünzig dagegen verweist in seinem Buch "Für Deutschtum und Vaterland" auf die besondere Geschichte der Garnisonkirche, die nicht erst seit dem "Tag von Potsdam" eng in Verbindung mit preußischem Militarismus gestanden habe. Hildegard Rugenstein, reformierte Theologin der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), zweifelt deshalb an der Vereinbarkeit von Wiederaufbau und Friedensarbeit.

1. Passen Friedensarbeit und Garnisonkirche zusammen?

Wieland Eschenburg: "Bei vielen ist vor allem noch der 'Tag von Potsdam' im Kopf. Und natürlich wurde der Ort nicht aus Versehen zum Schauplatz für den NS-Festakt 1933 ausgesucht. Die Geschichte der Garnisonkirche beginnt aber 1735 und sie war auch nicht die einzige Garnisonkirche. Es wäre deshalb übertrieben, sich nur auf diesen Aspekt der Geschichte zu konzentrieren."

Cornelia Radeke-Engst: "Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Kirche friedlich genutzt. Hier an der Garnisonkirche befindet sich außerdem seit mehreren Jahren ein Nagelkreuzzentrum. Unser Ziel besteht darin, die 'Wunden der Geschichte zu heilen', 'Vielfalt zu feiern'. Schon jetzt leisten wir mit unserem Programmangebot Friedensarbeit. Mit dem Bau der Garnisonkirche könnten wir unsere Arbeit erweitern."

Matthias Grünzig: "Dass die Garnisonkirche eine besondere Rolle in der Geschichte spielte, das zeigt nicht erst der NS-Festakt von 1933. Ihre ganze Architektur, mit Siegestrophäen, mit 88 Metern Höhe exponiert im Stadtkern Potsdams, stand für die militärische Stärke Preußens. Schon 1919 richtete sich Erich Ludendorff hier mit einer Gegenveranstaltung gegen den liberalen 'Geist von Weimar'. Der 'Geist von Potsdam' stand für preußischen Militarismus."

Hildegard Rugenstein: "Mit der Garnisonkirche wird etwas Symbolträchtiges wiederaufgebaut. Der Turm spricht für sich. Er ist höher als die meisten anderen Gebäude im Umkreis, steht im historischen Zentrum. Gerade jetzt wo wir in Europa einen Rechtsruck erleben, sollten wir die symbolische Wirkung nicht unterschätzen. Zumindest eine Umbenennung der Kirche wäre wünschenswert."

2. Darf man die Garnisonkirche wieder so aufbauen, wie sie noch zur Zeit des Zweiten Weltkriegs aussah?

Eschenburg: "Natürlich muss man sie so wieder aufbauen. Die Kirche hat schließlich nicht im Zweiten Weltkrieg sondern 1735 ihren Ursprung. Wenn man etwas architektonisch anders macht, dann muss man das erklären. Im Inneren wird sie außerdem völlig anders strukturiert sein als das historische Gebäude. Früher war der Turm praktisch nur Durchgang zum Kirchenschiff. Jetzt werden  hier Veranstaltungen stattfinden. Wenn Passanten reingehen, dann sehen sie hinter der Tür eine völlig andere Welt. Die Diskussion entsteht außerdem gerade, weil wir sie wieder aufbauen. Würden wir irgendeinen Betonklotz hinstellen, dann würde das keinen interessieren."

Radeke-Engst: "Es war eine bewusste Entscheidung, die Fassaden der historischen Kirche wieder so zu rekonstruieren. Die Geschichte der Garnisonkirche ist komplex, beginnt nicht erst 1933, sondern im frühen 18. Jahrhundert. Nicht obwohl sondern weil sie diese Geschichte hat, wollen wir sie wieder aufbauen. Der Abriss der Garnisonkirche steht außerdem in enger Verbindung mit der sozialistischen 'Turmrede' von Walter Ulbricht von 1953. Türme von Rathäusern und Kulturhäusern sollten weiter erlaubt sein, Kirchtürme aber sollten weg. Der Beschluss richtete sich auch gegen andere Kirchen, wie zum Beispiel die Ulrichskirche von Magdeburg. Diesen historischen Kontext sollten wir nicht vergessen."

Grünzig: "Nach meiner Recherche war der Abriss der Garnisonkirche nicht nur eine politische Entscheidung. In den 1960er Jahren gab es insgesamt einen Umschwung, auch auf kirchlicher Seit: Die Kirchen wollten sich reformieren, unabhängig vom Sozialismus. Vielmehr beschäftigen sich Kirchen mit der Frage, wie sie ihren Aufgaben künftig noch gerecht werden könnten. Es foglte ein Trend etwa zu Dialog statt Frontalpredigt. Dazu schienen neue Räumlichkeiten notwendig. Es entstanden zahlreiche flexible Gemeindezentren. Die Wiedererrichtung alter Kirchen war damals oft nicht so sehr im Interesse der Kirche. Fakt ist außerdem, dass damals kein Geld der EKD für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu Verfügung stand. Überhaupt hatte nach 1947 die Nikolaikirche Priorität in Potsdam. Der Abriss der Garnisonkirche spiegelte also auch einfach einen neuen Zeitgeist."

Hildegard Rugenstein: "Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist beschlossen, die Baugenehmigung liegt vor, die Arbeiten laufen. Ungeklärt ist aber nach wie vor die Frage, wie Friedensarbeit in Zukunft konkret aussieht. In der Satzung finde ich dazu bislang praktisch nichts. Solange das nicht geregelt ist, wird wahrscheinlich auch die Kritik bleiben."

3. Schon jetzt befindet sich auf dem Gelände die Heiligkreuzkapelle. Ist eine Wiedererrichtung der Garnisonkirche überhaupt nötig?

Eschenburg: "Der Turm der Garnisonkirche gehörte über Jahrhunderte hinweg zum Stadtbild von Potsdam. Im Krieg ist der zwar ausgebrannt. Die Mauern standen aber noch. Erst durch Sprengung 1968 wurde er vollkommen zerstört. Einige Potsdamer haben eine persönliche Bindung. Die Heiligkreuzkapelle kann dafür kein Ersatz sein. Für Besucher ist es außerdem ein historischer Ort. Mit dem Wiederaufbau lässt sich die Frage nach der Geschichte der Garnisonkirche provozieren."

Cornelia Radeke-Engst: "Zwar verfügen wir aktuell über eine Heiligkreuzkapelle und sind auch hier schon mit Friedensarbeit aktiv. Sie ist allerdings nur ein Provisorium. Außerdem bietet sie nur wenig Platz. Für Schulklassen können wir nur bedingt Programm anbieten. Dazu fehlen uns etwa Seminarräume. Mit dem Wiederaufbau des Turmes ließe sich das Problem lösen."

Rugenstein: "Die Profilgemeinde macht auf dem Gelände bereits jetzt gute Friedensarbeit. Will man hier aber eine Gedenkstätte bauen, dann stellt das vor Herausforderungen. Aus meiner Sicht bräuchte es dazu etwas Besonderes. Man kann nicht einen Panzer bauen und Friedensarbeit darin machen. Die Garnisonkirche hat eine fragwürdige Geschichte. Der 'Tag von Potsdam' ist der Höhepunkt dieser Geschichte und nicht erst der Anfang."

4. Ist die Ko-Förderung durch Finanzmittel des Bundes und EKD-Kredite gerechtfertigt?

Eschenburg: "Für das Projekt erhalten wir zwar finanzielle Stützung. Allerdings muss bis 2020 die bauordnungsrechtliche Abnahme erfolgen. Es war für uns deshalb zwingend, dass wir 2017 an den Start gehen. Mehr als die Hälfte der Baukosten müssen wir dann wieder zurückzahlen. Die Finanzierung des Unterhalts sowie weiterer Bauabschnitte liegt außerdem bei uns. All das müssen wir von Spenden und Eintrittsgeldern bezahlen."

Radeke-Engst: "Die Baugenehmigung für den Turm der Garnisonkirche liegt uns seit 2013 vor. Der Bund unterstützt uns. Die Landessynode hat ein zinsloses Darlehen bewilligt. Sie alle haben ja gesagt. Dazu erhalten wir auch von der Bevölkerung breite Unterstützung. Unsere Gemeinde hat derzeit 250 Mitglieder. Nicht nur sie haben Interesse. Besser wäre es womöglich gewesen, einen Volksentscheid durchzuführen. Damit hätten wir unser Projekt hoffentlich bestätigen lassen können."

Rugenstein: "Wenn gerade die Errichtung der Garnisonkirche eine so hohe finanzielle Unterstützung bekommt, eine Kirche, die zu den größten zählt und dazu noch mit dem Krieg in Verbindung steht, dann ist das schon ein fragwürdiges christliches Zeichen."

5. Wie könnte Friedensarbeit in der Garnisonkirche in Zukunft konkret aussehen?

Eschenburg: "Insgesamt werden 1200 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen, davon sind 300 Quadratmeter für eine Dauerausstellung eingeplant. Außerdem eine Bibliothek, Seminarräume. Das bietet Platz für ein vielseitiges Programm, Einzelbesucher aber auch Touristengruppen oder Schulklassen."

Radeke-Engst: "Seit Start der Bauarbeiten haben wir mehr Raum uns mit der inhaltlichen Fragestellung auseinanderzusetzen. Geplant ist ein wissenschaftlicher Beirat, der die historische Aufarbeitung begleiten soll. Außerdem arbeiten wir eng mit Zeitzeugen zusammen. Vermutlich werden wir unser Workshop-Angebot ausweiten. Im Turm könnten auch Tageszeitengebete; Friedensgebete, Gottesdienste stattfinden. Das genaue Programm wollen wir in den kommenden Monaten ausarbeiten."

Rugenstein: "Aus meiner Sicht ist Friedensarbeit in der Garnisonkirche schwierig. Schon die Argumentation ist nicht stringent. Einerseits heißt es, der Tag von Potsdam dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Andererseits betont die Stiftung die historische Bedeutung der Garnisonkirche und nutzt damit genau jenes historische Ereignis zur Begründung für deren Wiederaufbau. Die architektonische Schönheit der Kirche wird gelobt - aber kann so geschichtliche Aufarbeitung funktionieren? Schuld lässt sich nicht mit ästhetischen Fragen revidieren.


Die Interviews führte Isabel Metzger

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