'Wir sehen die Welt voll fremder Herren'

Ausschnitt aus der Andacht am Sonnabend (1931)


Karl Barth: 'Es brauchte schon ein feineres Ohr als das unsrige, um in dem tiefen Schweigen der Nacht und des Tages und der anderen Nacht von Karfreitag zu Ostern die Stimmen des ohnmächtigen, gebrochenen Zornes der Dämonen dieser Welt und über ihnen die Stimmen des Triumphes der himmlischen Diener Gottes zu hören.'

von Karl Barth

"Wir sehen die Welt voll fremder Herren. Mammon und seine Vettern und Verwandten regieren gewaltig und denken nicht daran, abzudanken. Falsche Gottseligkeit macht sich auch breit genug und tut dem Fürsten dieser Welt [vgl. Joh. 12, 31 u. ö.] wahrlich keinen Abbruch. Hatte er sich nicht aufs neue zum Herrn eingesetzt auf Golgatha im Tode des Gerechten? Es brauchte schon ein feineres Ohr als das unsrige, um in dem tiefen Schweigen der Nacht und des Tages und der anderen Nacht von Karfreitag zu Ostern die Stimmen des ohnmächtigen, gebrochenen Zornes der Dämonen dieser Welt und über ihnen die Stimmen des Triumphes der himmlischen Diener Gottes zu hören. Aber was wir noch nicht hören, ist doch schon wahr: «Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, auch nicht zugeben, dass Dein Heiliger die Verwesung sehe» [ Act. 2, 27]. Und wenn wir noch nichts zu sehen bekommen von dem Sturz der Mächte, Fürstentümer und Gewalten und von dem Sieg Gottes über alle ihm widerstrebenden Herrschaften, wenn unser Himmel, so weit das Auge reicht, verfinstert ist von ganzen Wolken von anmaßenden Göttern und Göttlein, vor denen die Leute (und wir selbst oft genug mit ihnen) auf den Knien liegen, wenn es nur zu wahr ist, dass wir keinen einzigen dieser falschen Herren aus eigener Gewalt stürzen können und werden - wohl, so ist es uns auch und gerade in dieser Finsternis offenbart (...): 'Der Herr soll Herr über euch sein' [Ri 8,23]. Dazu, gerade dazu hat Jesus Christus die Not des Todes und den Aufruhr der Hölle über sich ergehen lassen, dass er über sie alle Herr sei. Es ist doch die ganze Welt jener falschen Herren, so gewaltig und eindrucksvoll sie dasteht, reif zum Zusammenbruch. Es kann ihr doch ein letzter Ernst und Respekt nicht mehr entgegengebracht werden. Es sind die Erben der Verheißung mitten im Gefängnis doch jetzt schon die heimlich Freien. Sie sollen es nicht versäumen, ihren Mitgefangenen Boten der göttlichen Freiheit zu sein."


Karl Barth, Andacht am Ostersonnabend (1931), in: Predigten 1921-1935 (GA I.31), 608