Die Heilung eines besessenen Knaben

Predigt zu Markus 9, 14 – 29


Der Vater mit dem epileptischen Knaben (rechts), Detail im Gemälde „Verklärung Christi“ von Raffaelo Santi (gen. Raffael, 1483 – 1520) © Wikimedia / LXVI:K.G.16 (Hallwyl Museum)

"Christus hat keine Hände. Aber er hat Bethel. Dort geschehen Wunder der Heilung. Nicht nur dort. Er hat auch die Pharmakologen, ja die riesigen Pharmakonzerne von zweifelhafter Geschäftsmoral zu seinen Werkzeugen gemacht. Durch die Hände der Ärzte tut er heute Wunder, manchmal sogar durch Heiler, die auch vor austherapierten Fällen nicht zurückweichen. Aber manchmal auch nicht."

Die Heilung eines besessenen Knaben

14. Und als Jesus und die drei zu den anderen Jüngern zurück kamen, sahen sie viel Volk um sie herum versammelt und Schriftgelehrte, die mit ihnen diskutierten.
15 Und sogleich kam alles Volk, als es ihn sah, in großer Erregung herbeigelaufen und begrüßte ihn.
16 Und er fragte sie: „Was verhandelt ihr da?“
17 Da antwortete ihm einer aus der Menge: „Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, er hat einen stummen Geist.
18 Und wenn er ihn packt, reißt er ihn zu Boden, und er schäumt, knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe deinen Jüngern gesagt, sie sollten ihn austreiben, aber sie vermochten es nicht.“
19 Er aber antwortet ihnen: „Du ungläubiges Geschlecht! Wie lange muß ich noch bei euch sein? Wie lange muß ich Euch noch ertragen? Bringt ihn zu mir!“
20 Und sie brachten ihn zu ihm.
Und als der Geist ihn sah, zerrte er ihn sogleich hin und her, und er fiel zu Boden, wälzte sich und schäumte.
21 Da fragte er seinen Vater: „Wie lange hat er das schon?“ Der sagte: „Von Kind auf.“
22 Und oft hat er ihn ins Feuer geworfen und ins Wasser, um ihn zu vernichten. Jedoch – wenn du etwas vermagst, - so hilf uns und hab Mitleid mit uns.“
23 Jesus aber sagte zu ihm: „Was soll das heißen: wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt.“
24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“
25 Als Jesus nun sah, dass das Volk zusammenlief, schrie er den unreinen Geist an und sagte zu ihm: “Stummer und tauber Geist! Ich befehle dir fahr aus und fahr nie wieder in ihn hinein!“
26 Der schrie und zerrte ihn heftig hin und her und fuhr aus. Da lag er da wie tot, so dass alle sagten: „Er ist gestorben.“
27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf. Und er stand auf.
28 Dann ging Jesus in ein Haus; und seine Jünger fragten ihn jeder für sich: „Warum konnten wir ihn nicht austreiben?“
29 Und er sagte zu ihnen: „Diese Art lässt sich nicht anders austreiben als durch Gebet.“
(Markus 9, 14 – 29)

Liebe Zuhörer!

Jesus vertrieb Dämonen. Jesus machte Kranke gesund. Und in seinem Geist und mit Gottes Hilfe geschieht dies auch heute noch. Wir müssen und dürfen darum beten. Das ist die frohe Botschaft der Predigt heute. Sie ist ebenso wunderbar wie unglaublich. Und ist doch wahr!
Diese Wahrheit genauer zu betrachten, lade ich Sie ein zu einer Reise. Sie hat fünf Stationen:
Zuerst geht es nach Galiläa im Jahr 28. Dann kommen wir nach  einem kurzen Abstecher über  Brünn in Mähren nach Westfalen im Jahre 1872. Und ins Oberbergische im Jahre 1947. Schließlich kehren wir in diese Kirche im Juni 2009 zurück.

I. Station

Galiläa im Jahre 28

Dies ist eine Predigt des Evangeliums, die soll Euch frohmachen. Aber der mir vorliegende Text ist brutal, sehr dramatisch und enthält einige Unstimmigkeiten. Zwei will ich kurz nennen, will von meinen eigenen Verstehensschwierigkeiten bei der Vorbereitung berichten.

Erstens: Jesus ist nicht da, da bringt ein Vater seinen Sohn, der von einem stummen Quälgeist besessen ist, und bittet die Jünger um Hilfe. Diese scheitern.

Warum konnten die Jünger den epileptischen Jungen nicht heilen? Jesus hatte ihnen doch erst vor ein paar Monaten die Vollmacht gegeben, „zu predigen und die bösen Geister auszutreiben“. So heißt es sechs Kapitel früher im Markusevangeliums wörtlich. Und drei Kapitel früher, Kapitel sechs, schreibt Markus noch einmal: „Und die Jünger trieben viele Geister aus und salbten viele Kranken mit Öl und machten sie gesund.“ Warum können sie diesmal nichts ausrichten? Liegt es an der Schwere der Krankheit? Markus beschreibt sehr ausführlich, in unserem kurzen Text gleich zweimal, eine Symptomatik, die wir heute als Krampfanfälle eines Epileptikers einordnen. Aber die Menschen damals sahen eine Kraft von außen wirken. Der Junge ist beherrscht von einem stummen Geist, der ihn zu Boden reißt, Schaum vor dem Mund, Zähneknirschen, Gliederstarre. Der Geist will ihn offenbar umbringen, treibt ihn in Feuer und Wasser. Seit Jahren geht die Familie durch die Hölle.

Jesus ist unterdessen zu der Menge getreten. Der Text verrät, dass den Jüngern ihr Versagen peinlich ist. Sie gingen in ein Haus. Und seine Jünger kommen einer nach dem anderen „für sich“ einzeln zu ihm, vermutlich sehr verunsichert: „Warum wir nicht? Warum konnten wir ihn nicht heilen?“ Und er sagt einfach: “Diese Art der bösen Geister lässt sich nicht anders austreiben als durch Gebet.“ Möglich wäre ihr Versagen so zu erklären: Die Jünger waren bisher als Heiler zu erfolgreich gewesen, zu selbstsicher, hatten sich viel auf i h r e Heilungskräfte eingebildet, anstatt Gott dabei um Hilfe anzurufen.

Zweitens: Das besonders Grausame und Verzweifelte des stummen Geistes habe ich anfangs nicht verstanden. Warum will er den Knaben Wirt umbringen? Schon als kleinen Jungen hatte er ihn für sich begehrt. „Wie lange hat er das schon?“, fragt Jesus den Vater. Der sagt: „Von Kind an.“ Dämonen, so die populäre Vorstellung, können nicht essen und nicht trinken. Um leben zu bleiben, müssen sie einen Menschen besetzen.

Von Maria Magdalena hatte Jesus sieben Geister ausgetrieben, berichtet Lukas. Die wehrten sich, sie wollten nicht raus aus den Köpfen und Körpern der Menschen, schrien. Ein andermal bitten die Dämonen Jesus, wenn er sie schon aus einem Menschen vertreibt, ob sie dann wohl in eine Herde Schweine fahren dürfen? Warum setzt der böse Geist in unserer Geschichte dann den Jüngling dauernd dem Tode aus? Das würde ihm doch selber schaden.

Was der Vater Jesus berichtet, spiegelt einerseits den genauen Ablauf eines epileptischen Anfalls und gleichzeitig seine Furcht vor der unheimlichen Geisterwelt. Das Grausame des Geistes zeigt sich darin, dass der junge Mann ja w e i t e r   l e b t. Der Geist hat ihn immer haarscharf am Tod v o r b e i geführt. Ihn gequält und der Todesangst aussetzt, um ihn dann doch nicht sterben zu lassen. Denn er braucht ihn ja weiterhin. Jesu Gegner ist kein schlappes Nachtgespenst in Bettlaken, sondern eine mächtige zerstörerische Kraft. Im griechischen Text steht wörtlich: Er trietzt den Jungen. Läßt ihn mit den Zähnen knirschen: (griechisch: tritzei). Soweit meine eigenen Verstehensprobleme.

Galiläa im Jahre 28. Viel wird in unserer Geschichte geschrien, geschimpft, geweint, getadelt. Aber noch mehr wird geschenkt. Da der böse Geist die Krankheit ist – und er nicht die Krankheit konstruiert oder herstellt – ist der Junge gesund, wenn Jesus den Dämon vertreibt. Die Exegeten lassen heute wenig Zweifel daran, dass der historische Jesus wirklich Menschen heilend zur Ruhe bringen konnte. Exorzismen und Heilungswunder sind in den ältesten Überlieferungsschichten bezeugt! Die Forscher erkennen in Jesus einen charismatischen Wunderheiler, wie es damals einige in Palästina gab, vielleicht auch die Propheten Elia und Elisa. Nicht durch Zauberhandlungen und Hokuspokus, sondern durch die Kraft seiner Person, durch Worte und Berührungen gab er den Menschen die Gewissheit, wieder heil zu sein.

Im alten Israel war Krankheit als natürliche Reaktion des Körpers oder als Fehlfunktion unbekannt. Wurde einer krank, so bewies dies entweder Gottes Strafe für Vergehen oder die Verfolgung durch Dämonen. Wenn Jesus also ein Heilungswunder tat, musste er sich derer vergewissern, die ihn um Heilung baten. So ist in den vielen Wundern Jesu, die das Neue Testament überliefert, der innige, ja verzweifelte Glaube des Kranken oder seiner Begleiter das Grundmotiv seines Wirkens. Jesus verschleudert seine Zuwendung, sein Heilen nicht wie die Gratispröbchen einer Werbeaktion. Er will wissen, ob die Menschen wirklich ihn meinen, wenn sie zu ihm kommen – und damit Gott, seinen Vater.

Das musste nicht immer verbal geschehen. Bei dem Gelähmten gefiel ihm schon die umständliche und findige Art seiner vier Freunde. Die deckten das Dach ab, unter dem Jesus saß, schlugen ein Loch in die Decke und ließen die Liege herunter. Darin sah er genug von ihrem Glauben. Bei der heidnischen Griechin aus Tyrus hatte er Spaß an ihrer Schlagfertigkeit. Nein, er will zuerst den bösen Geist nicht aus ihrer Tochter vertreiben. Er will sie nicht heilen. Sie ist Griechin. Aber die Frau bittet:„ Lass mich doch von den Abfällen des Heils leben, das so groß über Israel gekommen ist! Es fressen die Hunde unter dem Tisch ja von den Bröckchen, die die Kinder haben fallen lassen.“ Das imponiert Jesus. Er befreit das Mädchen.

Der Vater des epileptischen Jungen in unserer Geschichte ist nicht so schlagfertig, nicht so erfinderisch. Er ist einfach am Ende. „Wenn Du etwas kannst,“ sagt er, „dann hilf uns.“

Fast gereizt sagt Jesus zum Vater: „Wenn Du kannst, sagst Du. Falls Du überhaupt etwas kannst, sagst Du...na, hööör mal! Alle Dinge kann der, der glaubt.“ Da weinte der Vater laut: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Damit bittet er um zweierlei: Um die Heilung des Kindes und um ein Wachsen seines eigenen Vertrauens auf Gott.

Und er erfährt ein Wunder. Das Kind wird gesund indem Jesus den Geist verjagt. Ich stelle mir vor: Von vielen begleitet ziehen die beiden nach Hause – zur Mutter. Wie die sich gefreut hat! Vielleicht waren sie reich genug, um am Abend ein Kälbchen zu schlachten und alle im Dorf zu einem Freudenfest einzuladen. 

II. Station

Brünn 1959 – 2009

50 Jahre alt wird mein Patenkind in Brünn dieses Jahr. Sie leidet an schwerer absolut unkontrollierbarer Epilepsie. Wie oft habe ich sie zuckend in den Armen ihrer Eltern gesehen. Seit 37 Jahren hoffen die vergebens auf ihre Heilung. Und beten darum. Und verzweifeln gleichzeitig. Konsultieren Ärzte. Lassen sich aus Prag einen gepolsterten Helm schicken. Aber als Magda ihn einmal nicht anhatte, fiel sie wieder die Treppe hinunter und verletzte sich wieder schwer. Sie staffieren das Badezimmer mit Schaumstoffmatten aus. Sie tun das, was Jesus den Jüngern sagte: sie beten um eine Wohnmöglichkeit für Magda, wenn sie, die Achtzigjährigen einmal nicht mehr für sie sorgen können. Aber in Tschechien ist da noch keine Lösung in Sicht.

III. Station

Bethel 1872

„Christus hat keine Hände, wir sind seine Hände.“ Ihr kennt dieses etwas banale Bekenntnis. Christus hat keine Hände mehr. Aber für die Epilepsiekranken schuf Bodelschwingh mit Herz und Hand Bethel. Wir sind nun auf unserer Reise von Brünn nach Bethel gekommen.

Es begann 1869 in Dellwig an der Ruhr. Der Gemeindepfarrer Friedrich von Bodelschwingh und seine Frau haben im Januar 1869 innerhalb von 12 Tagen alle Kinder durch Stickhusten und Lungenentzündung verloren. Als im Sommer eine Abordnung aus Bielefeld kommt, um ihm die Leitung eines Wohnhauses anzutragen, in dem 5 Epileptiker wohnen, führt er sie auf den Friedhof, zeigt auf die vier Kindergräber und sagt: „Von denen können wir uns hier nicht trennen.“

Um dann, nach viel ernstem Beten,  doch zwei Jahre später die Sorge für die Epilepsiekranken in Bielefeld  zu übernehmen. Denn er hatte erkannt: Sie waren unter allen Kranken in Anstalten besonders schlimm daran. Die geistig Behinderten, die sogenannten „Blödsinnigen“  merkten oft ihr Elend nicht. Die psychisch Kranken wurden nach ihren Episoden und Schüben nicht selten wieder gesund und konnten entlassen werden. Die Epileptiker aber waren zwar wochenlang ohne Anfälle, durften aber dennoch nicht arbeiten, denn plötzlich konnte sie ein Krampf überfallen.

Bodelschwingh erkannte bald die große soziale Aufgabe. Epileptisch Kranke strömten aus ganz Deutschland herbei. Denen versuchte er neben ärztlicher Pflege im neugebauten Haus „Bethel = Gottes Haus“ – eine neue Heimat zu schaffen. „Eine Lebensgemeinschaft will ich,“ sagte er, „in der jede Kraft noch verwertet werden kann. Die Allerschwächsten können noch für uns beten. Wer nicht mehr die Hände rühren kann, kann sie doch noch falten.“ Andere bekamen anspruchsvollere Aufgaben. Die beiden Kinder Friedrich und Gustav, die unterdessen geboren waren, haben als Erwachsene erzählt, wie oft des Vaters Bürogehilfe beim Schreiben einen Anfall erlitt. Sie sahen, wie sich Vater und Mutter dann im Arbeitszimmer um den um sich Schlagenden bemühten.

Warum die Arbeit in Bethel gelang, erklärt sich aus dem Perspektivwechsel, aus dem neuen Blickwinkel. Für Bodelschwingh lebten und warteten diese Hoffnungslosen nicht unter ihm sondern n e b e n  ihm vor den Toren des himmlischen Jerusalem. Die würden sich öffnen und dann würde er seine kleinen Kinder wiedersehen. Die Tore würden sich auch für die Epileptiker öffnen. Gemeinsam war man auf dem Weg in die ewige Herrlichkeit.

Im Alltag von Bethel war es freilich keineswegs immer idyllisch. Der Sohn Gustav berichtete später:
„Es war unter den Kranken jener ersten Jahre ein Epileptiker aus reichem Hause, sehr arrogant und dreist. Einer der Pfleger ließ sich das nicht gefallen, strafte den Kranken und wurde daraufhin von ihm verprügelt. Entrüstet eilte der Pfleger zu Bodelschwingh. Der sagte “Brüderchen, die Prügel hast Du schon lange verdient. Du wolltest ihn zu sehr ducken.“

Aber wie war dem schwierigen Kranken beizukommen? Bodelschwingh hatte entdeckt, dass er sich sehr für Blumen interessierte. „Für jeden Sonntagmorgen,“ schreibt der Sohn „erbat sich Vater von ihm einen Strauß für unsere Mutter. Glückstrahlend erschien er dann vor unserem Fenster und überreichte den neuen Strauß – und ließ sich von den Eltern bald alles sagen und sich Schritt für Schritt auf den Weg leiten, der auch für ihn Befreiung bedeutete.“

Jesus ist nicht mehr bei uns und Bodelschwingh auch nicht. Wer heute mit einem Krampfanfallkranken nach Bethel kommt, muß zuerst einen 17seitigen Fragebogen ausfüllen, dann wird der Kostenträger gesucht. Aber dann kann ihm oder ihr wahrscheinlich geholfen werden. Ein in Europa einmaliges Epilepsieforschungszentrum nimmt ihn auf mit Anfallbeobachtungsmonitoren, Schlaflabors und vor allem mit neuesten Methoden der Gehirnchirurgie. Aus diesem modernen Zentrum sind Gottes Geist und Bodelschwinghs Geist noch keineswegs gewichen, der gute Geist, den wir vor zwei Wochen zu Pfingsten feierten.

Christus hat keine Hände. Aber er hat Bethel. Dort geschehen Wunder der Heilung. Nicht nur dort. Er hat auch die Pharmakologen, ja die riesigen Pharmakonzerne von zweifelhafter Geschäftsmoral zu seinen Werkzeugen gemacht. Durch die Hände der Ärzte tut er heute Wunder, manchmal sogar durch Heiler, die auch vor austherapierten Fällen nicht zurückweichen. Aber manchmal auch nicht.

IV. Station

Im Oberbergischen 1947

Wenn das nämlich alles fehlt, Medizin wie Mitgefühl, dann reißt nicht der stumme Geist einen Epileptiker hin und her, sondern dessen eigene Verzweiflung. Es war im Jahre 1947. Oft beobachteten wir Kinder des ersten Schuljahres, wie unser Lehrer einen epileptischen Anfall bekam. Wir kannten alle Vorzeichen, alle Symptome. Wie er hinfiel, wie er sich vor unseren Augen übergab. Lehrer fehlten 1947 so sehr, dass man auch Kranke einstellte. Uns Kinder erschütterte das kaum noch. Denn er war ein ruhiger, freundlicher Lehrer. Aber die Eltern!! Die Erwachsenen rückten von ihm ab. Er nahm sich das Leben. Hätten sich ihm Menschenhände als Christi Hände entgegengestreckt und ihn aufgerichtet, hätten sich mehr Leute im Ort mit ihm befreundet, wäre sein Ende vielleicht nicht so schrecklich gewesen.

V. Station

In dieser Kirche

„Amen“ könnte ich hier sagen. Unsere Reise ist beendet. Wir gehen nach Hause oder ins Predigtnachgespräch. Bliebe da nicht die Frage, die ich hier in dieser Kirche heute stellen muß, ob es mir gefällt, oder nicht: ob Gott auch den stummen Geist in meinem Leben entmachtet. Seit anderthalb Jahren verfolgt mich anfallartig der Gedanke an eine Frau, mit der ich in einen absolut niederschmetternden Streit geraten bin. An sie habe ich bei der Vorbereitung auf diese Predigt noch häufiger als sonst denken müssen. Ein stummer Geist ist sie, die das Telefon auflegt, wenn ich mich um Klärung bemühe, die mich zähneknirschend anschreit, ich solle verschwinden. Die meine Briefe nicht liest. Warum: vermutlich weil sie in MIR den Dämon fürchtet, der sie bedroht. Was bleibt mir anders, als zu beten: „Großer Gott, großer Gott, ich glaube, hilf meinem Unglauben und treib die böse Art zwischen ihr und mir doch aus. Verjage unsere beiden bösen Geister!“ Aber darum beten, das muß ich. Ohne das wird es keine Heilung geben.

Amen.

Gebet:

Zeige deines Wortes Kraft
An uns armen Wesen.
Zeige, wie es neu uns schafft,
Kranke macht genesen.
Jesu, dein allmächtig Wort,
Fahr in uns zu wirken fort,
Bis wir ganz genesen. Amen

Gehalten am 14. Juni 2009 in der Antoniter-Kirche Köln (Gottesdienst nach reformierter Tradition) von Dorothea Kuhrau-Neumärker


Dorothea Kuhrau-Neumärker