Das Abendmahl kulturhistorisch betrachtet

Ungewöhnliche Perspektiven von Peter Wick auf dem Reformierten Gemeindeforum in Siegen

Prof. Dr. Peter Wick zeigte die Kulturgeschichte der Abendmahlsgemeinschaf auf © Karlfried Petri

Leonardo da Vinci prägt das Bild vom Abendmahl bis heute - saßen die Jünger aber mit Jesus wirklich an einer Tafel?

Einen eher ungewöhnlichen Einstieg wählte der Theologieprofessor aus Bochum, sich dem Thema zu nähern. Er stellt zunächst fest, dass im Neuen Testament im Bezug auf das Abendmahl nie gottesdienstliches Vokabular verwendet wird. Auch machte er deutlich, dass die Menschen nicht zu Tisch gesessen haben, wie beispielsweise das berühmte Bild von Leonardo da Vinci vermittelt. Selbst Luther übersetzt ungenau, wenn er die Jünger mit Jesus zu Tische sitzen lässt. Die Menschen haben nicht gesessen, sondern gelegen. Und antike Bilder in Pompeji oder das Relief in der Oasenstadt Palmyra zeigen Menschen, wie sie zu Tische liegen. Derart, so Wick, müsse man sich auch ein frühchristliches Abendmahl vorstellen.

Bereits seit dem 6. Jahrhundert vor Christus setzte sich in der griechischen Kultur eine stabile Form für die Mahlgemeinschaft durch, die im nächsten Jahrtausend relativ wenig geändert wurde. Der Hellenismus und die Römer exportierten diese Form der Mahlgemeinschaft in einen riesigen Kulturraum. Das Deipnon als das Mahl am Abend (Abendbrot, Nachtessen, Abendmahl) wurde zu einer Hauptform abendlicher Geselligkeit in den Häusern. Nach dem Mahl wurde der Wein in einem Kelch gereicht. Es ist ein Trankopfer an eine Gottheit, das ausgegossen wurde. Damit begann das Symposion, eine Art geselliges Beisammensein nach dem Deipnon, das allein den Männern vorbehalten war. Die Götter (Apollo oder Bacchus) spielten beim Symposion eine große Rolle. Ziel des Symposions war die gegenseitige Unterhaltung durch die Teilnehmer mit Liedern, Gedichten, Reden, Spielen oder auch Wett-Trinken. Tänzerinnen oder Knaben konnten zur Unterhaltung eingeladen sein, Ehefrauen dagegen waren nicht zugelassen. Platon beschreibt ein solches Symposion. Das Neue Testament belegt, so der Theologe, dass das hellenistische Symposion auch die Mahlsitten und sogar das Pessach-Mahl in Israel prägte.

Der Bericht des Lukas über das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern gibt Aufschluss über die Besonderheit des Zusammenseins im Vergleich zu gewöhnlichen Abendmahlen jener Zeit. Jesus dankte über Brot und Wein. Er gießt kein Trankopfer aus. Trank und Speise erhalten durch den Dank eine besondere Bedeutung. Der Dank schafft Gemeinschaft mit Gott, der das Essen gibt.

Im 1. Korintherbrief  (Kap. 11-14) wird die kulturelle Gepflogenheit des Symposions aufgegriffen. Es ist eine durch den Kyrios geprägte Mahlzeit am Abend. Geistesgaben und der richtige Umgang mit denselben prägen das Zusammensein. Frauen dürfen an dem christlich geprägten Beisammensein teilnehmen. Zentrales Thema des christlichen Symposions ist die Agape, die Geschwister-Liebe untereinander, und nicht, wie sonst üblich, der Eros. Es dient nicht mehr der Unterhaltung, sondern der Stärkung der christlichen Gemeinschaft und des Glaubens der Teilnehmenden.

Im Laufe der Zeit wurde das Abendmahl mit Brot und Wein in einer eigenen Form Bestandteil eines Gottesdienstes. Nach reformierter Tradition ist das Abendmahl eine eigene Art der Verkündigung im Gottesdienst. Der Referent regte an, die Abendmahlstheologie neu von der Hausgemeinschaft, der familia Dei, und dem Sättigungsmahl her zu denken.

Lebhaft wurde in Gruppen darüber gesprochen, inwieweit das reformierte Abendmahl zu wenig von dem Gemeinschaftsgedanken geprägt ist. Es wurde von Handhabungen in den eigenen Gemeinden erzählt und dazu ermutigt, andere fröhlichere Formen auszuprobieren, die dem Ursprünglichen wieder näher kommen.


Karlfried Petri, Kirchenkreis Siegen, Haus der Kirche, Öffentlichkeitsreferat, 19. April 2011