Der Zusammenhalt bröckelt

Reimpredigt zur Passionszeit, 4. Mose 21,4–9


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Von Stephan Schaar

Liebe Gemeinde,

schon längst ist die Fastnacht vorüber.
Die letzten Februartage sind trüber;
wir gedenken sieben Wochen lang Christi Passion,
dennoch starte ich heute erneut die Aktion,
euch in Versen zu künden von Gottes Lieb’ -
und beginne mit dem, was von Mose man schrieb:

Vom Horeb, dem Gottesberg, brach Israel auf
zum Schilfmeer hinunter, und sie achteten drauf,
das Feindesland Edom zu umgehen,
denn dort sollte man sie besser nicht sehen;
das erforderte Kraft, kostete Geduld,
sie schimpften mit Gott, gaben Mose die Schuld:

Warum hast du uns herausgeführt aus dem fruchtbaren Land,
aus Ägypten in die Wüste, dass wir sterben im Sand?
Hier gibt’s außer Würgebrot gar nichts zu essen
und auch Wasser mangelt uns, hast du ‘s etwa vergessen?

Darauf packte Gott die Wut,
und in seiner Zornesglut
schickte er Schlangen, die Serafen,
die bissen nach allem, was sie trafen:

Viele Menschen mussten sterben,
statt das Gelobte Land zu erben.
Weil nun der Tod bedroht’ die Leute,
kehrten sie um, ja man bereute,
und sie flehten Gott um Gnade,
daß beendet werde, was schade.

Bete, Mose, dein Flehen erreiche
Gott, damit die Plage weiche!
Wie erbeten, hat er es getan,
und Gottes Antwort kam spontan:

Setzt Serafen, Kupferschlangen,
über mannshoch auf Holzstangen!
Und dann blicke, wer gebissen,
zu den Tieren auf. Entrissen
werdet ihr dem Tod,
wenn um Hilf’ ihr ruft in Not.

So sah man sie eifrig kupferne Schlangen gestalten,
um durch einen Blick auf sie ihr Leben zu erhalten.
Diese Geschichte klingt ganz schön exotisch,
die Verhältnisse dort wirken rauh und chaotisch.
Was war geschehen, worum geht es hier?

Längst brachen sie auf aus der Sklaverei,
sind weit schon gekommen, aber fühl’n sich nicht frei.
Die Reise geht weiter, mit Mose als Leittier.
Doch plagt sie der Durst und der Magen knurrt;
wen wundert’s, dass das Volk deshalb murrt?!

Das kennen wir selber auch zur Genüge.
Heut’ sind wir hier freier als jemals zuvor,
doch Unzufriedenheit wächst, es erhebt sich Rumor,
man beschuldigt einander der dreisten Lüge.

Zwar knurren die Mägen der meisten nicht,
doch jeder hat seine ganz eigene Sicht
auf die gesellschaftliche Lage.
Schon sind etliche bereit, in das Gestern zu fliehen
und die Demokratie in den Dreck zu ziehen.
Eifrig stöhnen sie, je nach Standpunkt, über die Plage,
unkontrollierter Immigration,
andern genügt hohe Steuerlast schon.

Der Zusammenhalt bröckelt, und es fehlt die Geduld.
Nur eines ist für viele klar ausgemacht:
Die Krise sei weitgehend hausgemacht.
Die Regierung ist an allem schuld:
Warum ist auf einmal alles so teuer?
Wieso merkt man kaum, dass da wer sitzt am Steuer?

Ach, wäre doch wieder alles wie einst!
Den Fachkräftemangel einfach mal übersehen,
und die Klimakatastrophe schlicht übergehen -
klingt verführerisch, doch gelöst wird so keins
von den Problemen, vor denen wir stehen.
Wir sollten der Krise ins Auge sehen,
denn vom Augenzumachen geht sie nicht weg.

Nein, schuld sind nicht alleine die da oben,
mögen die Leute auch noch so toben;
sich wegzuducken, hat keinen Zweck.
Wenn wir jetzt noch einmal nach dem Bibeltext blicken:
Wird Gott auch uns nun Giftschlangen schicken?

Statt gebissen, sind etliche infiziert.
Das Gift des Misstrauens hat sich verbreitet
und Volksverhetzern den Weg bereitet,
von Dunkelmännern dirigiert.
Man sammelt sich in seiner Wagenburg,
ob Sachsen, Thüringen, Brandenburg -
vor allem ist man gerne dagegen:
Schimpft aufs Gendern, Behinderte und Schwule,
Juden sowieso, hält sich selber für coole -
Hauptsache, man kann’s auf Krawall anlegen!

Es ist höchste Zeit, dem entgegenzutreten,
statt dumpfe Parolen nur nachzubeten
und Menschenwürde preiszugeben.
Wie Israel damals, lasst uns erkennen,
was wir verkehrt gemacht, und laut bekennen:
Herr, gib die Chance uns, zusammenzuleben
in Frieden und Freiheit und gleichberechtigt,
von Herkunft, Geschlecht, Religion unbeeinträchtigt.

Klingt solch ein Bußruf in Gottes Ohren,
dann wolle er unsre Gebete erhören
und helfen, des Teufels Werk’ zu zerstören;
denn dann sind wir lange noch nicht verloren.
Doch rede ich hier von tatsächlicher Umkehr,
mitnichten von Ritual und Symbolik -
geänderte Lebenspraxis, keine Rhetorik!
Zeigt Haltung, flieht nicht in die Bunker!

So vieles ist aus dem Gleichgewicht -
schließt euch zusammen und fürchtet euch nicht!
Auch wenn’s so mancher gerne hätte:
Was bringen denn hölzerne Kruzifixe
oder Kupferserafen? - Alles Taugenichtse!
Uns helfen keine Amulette,
sondern Glaubensmut, zu bekennen mit Taten
und nicht, bis die andern sich regen, abwarten:

Lasst uns etwas wahrhaftig Tapferes tun!
Schaut auf zu dem Kreuz: So hat Gott uns geliebt,
dass er uns um Christi willen vergibt.
Darauf gilt’s zu antworten, anstatt zu ruh’n.
Noch fern ist das Land voll Honig und Milch,
weiterzumachen, Herr, uns dazu verhilf!

Wir blicken aufs Ziel und wir schau’n nach dir aus:
Herr, leite uns auf deinen Wegen
und stärke uns mit deinem Segen!
Wir teilen mit Einsamen unser Haus.
Gib Ehrfurcht den Starken, Herr, Flügel den Lahmen,
gib Frieden uns allen - so bitten wir. Amen.


Stephan Schaar