Energieethik – Trauer und Zuversicht beim Abschied vom Erdölzeitalter

Plädoyer für die 2000-Watt-Gesellschaft und eine spirituelle Deutung der Energiekrise

Das angenehme Leben in wunderbar geheizten und hell erleuchteten Räumen, der Kurztripp mit dem Flugzeug auf eine Sonnenscheininsel, kurz: das Leben in der komfortablen Welt basiert auf sprudelnden Erdölquellen. Diese werden bald versiegen und schon jetzt fordert die Klimakatastrophe ihre Opfer. Sollen auch künftige Generationen auf dieser Erde leben, müssen wir heute handeln – aber wie? Eine Studie des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK) zeigt Wege.

„Energieethik - Unterwegs in ein neues Energiezeitalter. Nachhaltige Perspektiven nach dem Ende des Erdöls“ – unter diesem Titel hat der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) eine Studie veröffentlicht, die aus naturwissenschaftlicher Sicht informiert über die Energiekrise am Ende des Erdölzeitalters, fünf Grundwerte politischen Handelns im Angesicht der schon beginnenden ökologischen Katastrophe aufweist und eine spirituelle Dimension der Krise beschreibt in „Prüfung“, Zuversicht aus Trauer, Genügsamkeit und Ballastabwerfen.

Leitziel 2000-Watt-Gesellschaft
Fazit der von Otto Schäfer, dem Beauftragten für Ethik beim SEK, verfassten Studie: ein Plädoyer für das Leitziel 2000-Watt-Gesellschaft. Bis zum Jahr 2100, noch besser bis 2050, muss der Gesamtenergieverbrauch einer jeden Europäerin, eines jeden Europäers von 6000 auf 2000 Watt reduziert werden. Dabei dürfen nur 500 Watt auf nicht erneuerbaren, also im Wesentlichen fossilen Brennstoffen, beruhen.

Fünf Grundwerte der Energiepolitik
Um das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen, muss die Energiepolitik sich von fünf zentralen Grundwerten leiten lassen: Freiheit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Partizipation und Frieden. Nach Analyse des Energiesystems – der schweizerischen Gesellschaft – und der Darstellung verschiedener denkbarer Alternativen kommt die Studie zu drei Einsichten:

  1. Das derzeitige Energiesystem ist mit Nachhaltigkeit nicht zu vereinbaren. Klimawandel und Erschöpfung der Ressourcen zeigen dies deutlich.
  2. Das derzeitige Energiesystem ist nicht gerecht: Wir leben auf Kosten der armen Länder und nehmen künftigen Generationen Grundlagen zum Leben weg.
  3. Das derzeitige Energiesystem ist mit Frieden unvereinbar. Der Kampf ums Erdöl gefährdet schon jetzt den Weltfrieden.

Am Ende des „thermoindustriellen Zeitalters“, des „Erdölzeitalters“ und an der Schwelle zu einem neuen Energiezeitalter sind „Energieeffizienz“ und die „Entwicklung erneuerbarer Energien“ gefragt. Auf diesem Weg werden die Grundwerte Freiheit und Partizipation wichtig: Freiheit heißt nun auch, die Zukunft offen zu halten für folgende Generationen, und Partizipation bedeutet, Verbraucherinnen und Verbrauchern Wahlmöglichkeiten anzubieten, konkret z.B. die Möglichkeit, sich für „Ökostrom“ zu entscheiden, sowie Mitbestimmung über die Zukunftsinvestitionen der Energiewirtschaft.

Zuversicht aus der Trauer heraus
Die SEK-Studie sieht in dem schwierigen, krisenhaften Übergang in ein neues Energiezeitalter auch eine geistliche, spirituelle Dimension. Die „Energieperspektiven“ werden verglichen mit einer kollektiven „Prüfung“, abgeleitet aus dem französischen „épreuve“. Wir seien verunsichert, weil das scheinbar Selbstverständliche nicht mehr trage. Nun gelte es, durch die Trauer hindurch Zuversicht zu gewinnen.

Parallelen zwischen dem individuellen und dem kollektiven Trauerprozess werden benannt

-          als Nicht-für-wahr-Halten bzw. Kopf-in-den-Sand-Stecken: Das Erdöl sei noch lange nicht verbraucht, an den Klimawandel würden wir uns schon anpassen;

-          als Feilschen über das Unausweichliche: 2000-Watt-Gesellschaft – schön und gut, aber 2150 sei doch auch noch früh genug;

-          als Depression bzw. düsterem Fatalismus: Katastrophen prasseln auf uns nieder, nun denn: geht die Menschheit halt verloren.

Aus der Trauer können Zuversicht und Handeln entspringen, die Möglichkeit eines neuen Lebensstils, der Weg der „Genügsamkeit“ und des „Ballastabwerfens“. Wir werden uns trennen müssen von liebgewonnenen Gewohnheiten. 

SEK-Studie I: Energieethik – als PDF zum kostenlosen Download im SEK-Shop:
Energieethik
Unterwegs in ein neues Energiezeitalter
Nachhaltige Perspektiven nach dem Ende des Erdöls
Autor: Otto Schäfer

Eine Einführung in die SEK-Studie im Bulletin „Energiezukunft“ – zum kostenlosen Download auf der Homepage der SEK:
Bulletin sek-feps 1/2008: Fokus-Thema: Energiezukunft. PDF


Barbara Schenck