Wenn sich alle auf die Zehenspitzen stellen, sieht am Ende keiner mehr

Tacheles-Sendung zum arbeitsfreien Sonntag am 19. und 20. April

Der arbeitsfreie Sonntag ist ein kostbares Geschenk. Darüber waren sich alle einig bei der Aufzeichnung der Fernseh-Gesprächsrunde "Tacheles" in der Dortmunder Reinoldikirche. Auseinander gingen die Meinungen aber bei der Frage, wie man mit diesem Geschenk umgehen soll.

 Es ging um das dritte Gebot: "Du sollst den Feiertag heiligen". Es ist ein Geschenk Gottes an die Menschheit, sagte Präses Alfred Buß - ein Geschenk, das Freiheit bedeutet. Der leitende Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen beschrieb die Bedeutung des Sonntags, der nach dem Grundgesetz der "seelischen Erhebung" vorbehalten ist und deshalb frei von regulärer Arbeit sein muss: Bei der Diskussion um Ladenöffnungszeiten gehe es weniger um Werte als um Würde. Und zur Würde eines Menschen gehöre die Arbeit ebenso wie die Ruhe: "Ruhe und Arbeit sind gleichwertig und damit auch gleichberechtigt." Der Präses verurteilte scharf die "breite Offensive zur Aushöhlung des Sonntags". Einzelhandelskonzerne würden den "Juckreiz" einer Scheinfreiheit bedienen. "Aber wenn sich alle auf die Zehenspitzen stellen, sieht am Ende keiner mehr", warnte Buß.

"Der Sonntag soll geheiligt sein"

Wenn der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Professor Hans-Werner Sinn, erklärte: "Der Sonntag soll geheiligt sein", hatte er die Zustimmung von Margret Mönig-Raane. Die stellvertretende Bundesvorsitzende von Verdi findet es auch "ökonomisch nicht nötig", sonntags zu arbeiten. Es müsste nicht sein, wenn jeder Vollzeitjob für den Lebensunterhalt ausreichen würde, so die Gewerkschaftsfunktionärin. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn für alle ließe sich das erreichen, findet sie. Das allerdings sah Professor Sinn ganz anders: Staatliche Zuschüsse zu Billiglohnjobs wären die Lösung, so seine Überzeugung - ein gesichertes Mindesteinkommen sei in der Marktwirtschaft durchaus möglich.

Der Soziologe Hartmut Rosa von der Universität Jena erinnerte an das Versprechen der Marktwirtschaft, Freiheit zu geben. Jetzt werde mit dem ökonomischen Zwang argumentiert, der die Freiheit von Arbeit am Sonntag immer mehr einschränke - "eine perverse Situation".

Ökonomische Entwicklung hinterfragen

Auch Utz Claassen räumte ein, dass die globalisierte Wirtschaft sich zu Lasten der Arbeit und zu Gunsten des Kapitals entwickelt habe. Der frührere Top-Manager des Energieversorgers EnBW warnte davor, dass die ökonomischen Entwicklung nach dem Motto "immer schneller, immer besser" verlaufe, ohne nach der Richtung zu fragen.

Die Gesprächsrunde "Tacheles" ist eine gemeinsame Produktion der Rundfunkarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Fernsehsender Phoenix. Die Diskussion wird am Samstag, 19. April, um 22.15 Uhr und Sonntag, 20. April, um 17 Uhr gesendet.


Pressestelle der Evangelischen Kirche von Westfalen

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