Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
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Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1886-1968)
Karl Barth wurde am 10. Mai 1886 als Sohn des Theologieprofessors Fritz Barth (1856-1912) und seiner Frau Anna, geb. Sartorius (1863-1938) in Basel geboren. 1889 zog die Familie nach Bern um. Dort verbrachte er seine Jugendjahre, in die auch von 1901 bis 1902 der Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Robert Aeschbacher und von 1896 bis 1904 der Besuch des Freien Gymnasiums fiel. Von 1904 bis 1908 studierte Barth evangelische Theologie in Bern, Berlin, Tübingen und Marburg, war 1908/09 Redaktionsgehilfe bei der in Marburger scheinenden „ChristlichenWelt“ und übernahm von 1909 bis 1911 eine Hilfspredigerstelle in Genf.
Von 1911 bis 1921 wirkte Barth dann als Pfarrer in der aargauischen Gemeinde Safenwil. Aus der 1913 mit seiner früheren Konfirmandin Nelly Hoffmann (1893-1976) geschlossenen Ehe gingen fünf Kinder hervor: Franziska (1914-1994), Markus (1915-1994), Christoph (1917-1986), Matthias (1921- 1941) und Hans Jakob (1925-1984). Erschüttert durch das Versagen der damals herrschenden „liberalenTheologie“ angesichts der Herausforderungen jener Zeit exponierte sich Barth einerseits politisch, indem er 1915 in die Sozialdemokratische Partei der Schweiz eintrat und die Arbeiter seiner Kirchengemeinde zu gewerkschaftlicher Solidarität anhielt. Andererseits ging es ihm um eine fundamentale Neuherausarbeitung des Wesens von Theologie und Kirche.
Als Frucht dieser Bemühungen erschien 1919 und, völlig überarbeitet, nochmals 1922 „Der Römerbrief“, ein Kommentar zu jener neutestamentlichen Schrift des Paulus, an der er die Bibel ganz neu zu lesen lernte. Die große Wirkung dieses Buches bis in unsere Gegenwart hinein ist unter anderem daran abzulesen, daß es 14 Auflagen erreicht hat. Mit dem Erscheinen des „Römerbriefes“ begann die akademische Lehrtätigkeit Karl Barths.Sie war durch eine Dynamik gekennzeichnet, die sowohl in der Person als auch in den überstürzenden Ereignissen unseres Jahrhunderts begründet war. Von 1921 bis 1925 ging Barth als Honorarprofessor für reformierte Theologie nach Göttingen.
In diese Zeit fiel auch der Beginn zahlreicher ihm zuteil werdender Ehrungen: Dr. theol. h.c. der Universität Münster 1922, Glasgow und Ehrenprofessor Sárospatak 1930, Utrecht 1936, St. Andrews 1937, Oxford 1938, Entzug 1939 und Neuverleihung 1946 des Dr. h.c. von Münster, Budapest 1954, Edingburgh 1956, Straßburg 1959, Chicago 1962, Sorbonne/Paris 1963.
Von 1922 bis 1933 war er als Mitbegründer und Mitarbeiter der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“ zusammen mit Emil Brunner, Friedrich Gogarten und Rudolf Bultmann, die später ihre eigenen Wege gingen, und dem getreuen Freund Eduard Thurneysen der Hauptvertreter der um diese Zeitschrift sich versammelnden „Dialektischen Theologie“. Von 1925 bis 1930 war Barth Professor für Dogmatik und neutestamentliche Exegese in Münster, sodann von 1930 bis 1935 Professor für systematische Theologie in Bonn. Seit 1929 begleitete ihn seine Mitarbeiterin Charlotte von Kirschbaum (1899-1975), die ihr Leben ganz in den Dienst der Arbeit an dieser Theologie stellte.
1931 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Barths Hauptwerk „Die Kirchliche Dogmatik“ nahm 1932 ihren Anfang mit dem Erscheinen des erstenTeilbandes (KD I/1), der zusammen mit dem zweiten (KD I/2) von1938 als „Die Lehre vom Wort Gottes“ die Prolegommen abildet. Dieses trotz seiner über 9000 Seiten unvollendet gebliebene Werk ging als die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Auf der Arbeit an diesem Werk lag in den folgenden Jahrzehnten Barths Hauptaugenmerk, so daß zwei Bände Gotteslehre (KD II/1 1940, II/2 1942), vier Bände Schöpfungslehre (KD III/1 1945, III/2 1948, III/3 1950, III/4 1951) und vier Bände Versöhnungslehre (KD IV/1 1953, IV/2 1955, IV/3 1-2 1959, IV/4 (Fragment) 1967) erscheinen. Barths wache Zeitgenossenschaft spiegelt sich besonders deutlich in der für den Weg der Bekennenden Kirche in Deutschland grundlegenden Schrift „Theologische Existenz heute!“ von 1933 und in der hauptsächlich aus seiner Feder stammenden „Theologischen Erklärung“ von Barmen 1934 wider.
1935 wurde er aufgrund der Verweigerung des bedingungslosen Eides auf die Person des „Führers“ von der Bonner Universität entlassen. Von 1935 bis 1962 setzte Barth seine Lehrtätigkeit als Professor für systematische Theologie in Basel fort. Der von Anfang an maßgebend am Widerstand gegen den Nationalsozialismus Beteiligte blieb auch von Basel aus mit dieser Thematik beschäftigt - er beteiligte sich 1940 als Soldat im bewaffneten Hilfsdienst am nationalen Widerstand der Schweiz gegen Hitler - und mit der Bekennenden Kirche in Deutschland in enger Verbindung.
Auch in der Nachkriegszeit bewahrte sich Barth seine eigenständige Haltung. Dies zeigte sich sowohl in seiner deutlichen Absage an jeden Revanchismus gegenüber den Deutschen als auch an seiner Haltung im Ost-West-Konflikt: Hier ließ er sich weder zum Kreuzzug gegen den Kommunismus gewinnen noch vor den Karren einer antiamerikanisch gefärbten Weltfriedensbewegung spannen. Damit stieß er hier wie dort auf viel Unverständnis und Ablehnung. Barths Arbeit an der Erneuerung der Theologie und als Mahner der Kirche, ihrem Auftrag treu zu bleiben, wurde dadurch jedoch nicht geschmälert.
Eine gelegentliche Reise- und Vortragstätigkeit in Ost und West, oft verbunden mit der Entgegennahme von Auszeichnungen aller Art, war unter anderem ein Beweis dafür: So reiste er 1936 und 1948 nach Ungarn, folgte 1946 und 1947 dem Ruf auf eine Gastprofessur nach Bonn und besuchte 1962 die Vereinigten Staaten von Amerika; 1952 wurde ihm der Britische Verdienstorden „For Service in the Cause of Freedom“, 1963 der Sonning-Preis für besondere Verdienste um die europäische Kultur in Kopenhagen und 1968 der Sigmund-Freud-Preis der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verliehen, nachdem er zuvor zum „Membre Accocie de l’Academie des Sciences Morales et Politiques del’Institut de France“ und zum Ehrensenator der Universität Bonn ernannt worden war.
Neben seiner akademischen Tätigkeit lag Barth das Predigen stets am Herzen. Seit 1954 tat er es fast ausschließlich in der Basler Strafanstalt. Im Jahr 1956 nahm er das Mozart-Jubiläum zum Anlaß, seine tiefe Liebe zu der Musik dieses Komponisten wiederholt auszusprechen. Mit der im Wintersemester1961/62 gehaltenen Vorlesung „Einführung in die evangelische Theologie“ verließ er das universitäre Amt. In den Folgejahren empfing er zahlreiche Gäste und Besuchergruppen aus der ganzen Welt in Basel, die ihn zu Gesprächen aufsuchten, und nahm von 1966 bis 1968 Seminarübungen an der Basler Theologischen Fakultät wieder auf.
Obwohl Barth seine reformierte Herkunft und Haltung zu keiner Zeit verleugnete, wurde die ökumenische Bedeutung seines Werkes erkannt. Dies ist unter anderem auch daran abzulesen, daß ihm an der ersten ökumenischen Weltkirchenkonferenz 1948 in Amsterdam das einleitende Hauptreferat „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan“ übertragen wurde. Steigende Beachtung wurde ihm auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche zuteil, deren sichtbaren Höhepunkt 1966 der Besuch des Vatikans und die Begegnung mit Papst Paul VI. in Rom darstellte.
Am 10. Dezember 1968 starb Karl Barth im Alter von 82 Jahren in seinem Haus in Basel. Die Gesellschaft möchte zu eigenem Nachdenken des von Barth Gedachten einladen und Mut machen, mit Barth neu zu den Texten der Bibel zu greifen, die unseren Alltag heilsam unterbrechen, indem sie uns alle an den einen Jesus Christus verweisen, der in Kreuz und Auferstehung uns Menschen näher kommt und näher ist, als jeder von uns sich selber nahe zu kommen und nahe zu sein vermag. Durch eine Mitgliedschaft in der Karl Barth-Gesellschaft unterstützen Sie deren Ziele. Als Mitglied unserer Gesellschaft erhalten Sie regelmäßig Berichte über unsere Tätigkeit und Einladungen zu unseren Veranstaltungen sowie Informationen über den jeweiligen Stand der Gesamtausgabe und die Subskriptionsbedingungen.
Weiterführende Informationen:
Calvin für zwischendurch
Von Christopher Elwood
Nach gleichnamigen Titeln über Augustin und Luther „... für zwischendurch“ ist der Band über Calvin der dritte einer jüngst in deutscher Übersetzung erschienenen Reihe „… für Lehnstuhl-Theologen“ (so der Untertitel im amerikanischen Original). Weitere Bände, beispielsweise über Karl Barth, sollen folgen.
Schon die Aufmachung und der Titel legen eine Leichtigkeit und Unverkrampftheit nahe, wie sie häufig in der amerikanischen Literatur und auch im persönlichen Umgang mit Menschen aus dem nordamerikanischen Sprachraum begegnen.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch die zahlreichen Karikaturen Ron Hills. Dabei stellt sich die Frage: Steht eine solche Art der Darstellung – auf dem Hintergrund der von Elwood selbst benannten Hochschätzung und Zusammengehörigkeit der ersten beiden Gebote – einer Annäherung an Calvin nicht eher im Wege? Die bildliche Darstellung Gott Vaters dürfte nicht nur reformierte Gemüter in Unruhe versetzen, zumal die Karikaturen nicht immer den dargestellten Zusammenhang erhellen. Andererseits machen sie im Zusammenspiel mit dem Stil Elwoods die Lektüre des Buches über weite Strecken geradezu zu einem Vergnügen.
Fulminant beginnt Christopher Elwood sein 2002 unter dem Originaltitel „Calvin for Armchair-Theologians“ erschienenes Buch:
„Wer war dieser Johannes Calvin?
Ein humorloser Spielverderber, fest dazu entschlossen, jeder Form von Spaß schnellstens ein Ende zu bereiten?
Der Erfinder einer Spielart sadomasochistischen Christentums für die Neuzeit?
Der magenkranke Tyrann von Genf, der einer ganzen Gesellschaft seinen Willen aufzwingen wollte?
Ein früher Vertreter einer Feel-good-Lebensphilosophie?“ (S.9)
Der Autor, Dozent für Kirchengeschichte am Louisville Presbyterian Theological Seminary, nimmt ohne Umschweife die gängigen Klischees über Calvin beinahe salopp karikierend auf, um diese auf den folgenden knapp 200 Seiten eindrucksvoll zu widerlegen.
Mit einer in deutschen Veröffentlichungen kaum anzutreffenden Mischung aus theologischer Ernsthaftigkeit und stilistischer Leichtigkeit versteht es Elwood, den komplexen Menschen und Theologen Calvin als Kind seiner Zeit darzustellen.
In den beiden Eingangskapiteln Ein Reformator wird geformt und Ringen um das Licht werden die Calvin bestimmenden und ihn als prägende Gestalt der Reformation formenden historischen, gesellschaftlichen, geistes- und theologiegeschichtlichen Einflüsse nachvollziehbar und verständlich dargestellt.
In der Bündelung zentraler Aspekte der calvinischen Reformation als „Werkzeugkiste für die Reformation“ (S.42-47) – einem von mehreren Beispielen für die Gabe des Verfassers, komplexe Sachverhalte merkbar darzustellen – wird zugleich die ausgewiesene didaktische Kompetenz Elwoods deutlich.
Herzstück des Buches ist zweifellos das Kapitel Orientierende Theologie: Nach der Betonung der Schriftauslegung als „Zentrum der Berufung“ Calvins (S.44) stellt Elwood die Institutio Christianae religionis und deren Entwicklung aus den Anfängen 1536 bis zu ihrer Endgestalt 1559 dar und folgt deren – in der Forschung unterschiedlich bewertetem – Aufbau in der Darstellung der Kerninhalte calvinischer Theologie (ich nenne in Auswahl: Gottes- und Selbsterkenntnis; Schöpfung und Vorsehung; Christologie; Prädestinationslehre und Kirchenverständnis).
Bemerkenswert ist die kritische Anfrage Elwoods an Calvins Begründung der Trinitätslehre, die ausdrücklich benannte foederaltheologisch begründete Hochschätzung des Alten Testaments bei Calvin und die im Rahmen der Christologie breit entfaltete Darlegung der Sündenlehre Calvins – mit einem erfrischenden Verweis auf einen Songtext von Bruce Springsteen, um die Erbsündenlehre Augustins zu erklären!
Die unaufgeregte Darstellung der Prädestinationslehre und deren poimenischer Dimension gehört ebenso zu den Stärken dieses Kapitels, wenn nicht des gesamten Buches, wie die Tatsache, dass Elwood dem Sakramentsverständnis Calvins, namentlich der luzide dargestellten Abendmahlslehre, einschließlich der für Calvin unverzichtbaren pneumatologischen Argumentation, eine Schlüsselrolle zur Überwindung der diesbezüglichen innerreformatorischen Kontroversen zuweist.
Während Elwood in der breiten Entfaltung des Kirchenverständnisses zeigt, wo das Herz des Kirchentheologen Calvin schlägt, erscheint die Beschreibung des Verhältnisses von Kirche und Staat als ein „Modell der Komplementarität“ (S.131) etwas verkürzt.
Kapitel 4 Prozesse und andere Widrigkeiten vertieft noch einmal die bereits in Kapitel 2 angedeuteten Kontroversen am Beispiel der Verfahren gegen Jerôme Bolsec (Prädestination) und Michael Servet (Trinität). Dabei werden nicht nur die gegensätzlichen Positionen differenziert dargestellt und in den historischen, politischen und rechtlichen Kontext eingeordnet. Auch in Fremd- und Eigenwahrnehmung registrierte problematische Charaktereigenschaften Calvins bleiben bei der Beurteilung seiner Rolle in diversen Auseinandersetzungen nicht unberücksichtigt.
Zu Recht warnt Elwood davor, Calvin an den Wertmaßstäben unserer Zeit zu messen, wie es in den Darstellungen Calvins nicht nur in der populären Literatur bis heute geschieht: Calvin war – mit einer aus heutiger Sicht tragisch zu nennenden Selbstverständlichkeit in manchen Einschätzungen und Entscheidungen – ein Kind seiner Zeit.
Warum der Aufstieg und die Konsolidierung des Calvinismus, die Gründung der Genfer Akademie, die Ausbreitung der Gedanken Calvins in Europa einschließlich der Umsetzung seiner Vorstellungen der Pastoren-Ausbildung, aber auch die Blüte des Verlagswesens, die umfangreiche Korrespondenz Calvins und die Ausbreitung der Reformation in Frankreich im Rahmen dieses mit Prozesse und andere Widrigkeiten überschriebenen Kapitels behandelt werden, bleibt unverständlich. Allenfalls chronologische Gründe (Calvins sich abzeichnendes Ende und schließlich sein Tod 1564 schließen das Kapitel ab) könnten dafür sprechen.
Breiten Raum nimmt abschließend die Entfaltung der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte ein – unter der zumindest missverständlichen Überschrift Die Kinder Calvins. Mit einem gesunden Misstrauen gegenüber Pauschalurteilen stellt Elwood die Wirkungsgeschichte in den Bereichen Ökonomie, Politik sowie Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte dar. In der prägnanten Zusammenfassung der fünf zentralen Lehrsätze des orthodoxen Calvinismus mit den Buchstaben des Wortes Tulpe (engl. TULIP – S.168) zeigt sich ein weiteres Mal die didaktische Stärke des Verfassers, nicht leicht merkbare Sachverhalte mit einem hohen Maß an Memorabilität für die Leser darzustellen.
Ein spezielles Augenmerk Christopher Elwoods gilt der jüngeren Theologiegeschichte. Beginnend mit der liberalen Theologie eines F. D. E. Schleiermacher über die orthodox-konservative Princeton Theologie ein Jahrhundert später, folgt eine etwas holzschnittartige Darstellung der dialektischen Theologie im Gefolge Karl Barths, der Hinweis auf dessen nicht unproblematische Calvin-Rezeption und wiederum deren Aufnahme und Amalgamisierung mit Elementen der liberalen Theologie in Amerika etwa durch R. und insbesondere H. Niebuhr.
Auch hier zeigt sich ein souveräner Umgang Elwoods mit Positionen der Calvin-Rezeption, ohne eigene Präferenzen – bei der liberalen Theologie – auszublenden.
Quasi als Resümee und Ausblick subsumiert Elwood die von ihm gegen Ende des 20. Jahrhunderts festgestellten theologischen Strömungen unter dem Stichwort Befreiende Theologie und fragt nach einer Verbindung zur Theologie Calvins. Seine Einschätzung: Vielleicht gibt es eine solche Verbindung eher in formaler denn in inhaltlicher Hinsicht (Sünde als Kennzeichen menschlicher Erfahrung; quasi prophetische Kritik an Religion, Theologie und Kultur; Betonen der gesellschaftlichen Relevanz des Glaubens in Fragen der Gerechtigkeit; Leidenschaftlichkeit der Theologie).
Die festgestellte Disparatheit der Erben Calvins führt Elwood mit W. J. Bouwsma auf eine bereits in Calvin selbst angelegte innere Spannung zwischen Erneuerung und Bewahrung zurück. Die Bewertung dieser Feststellung bleibt den theologisch interessierten Leserinnen und Lesern selbst überlassen.
Unabhängig davon, ob und wie weit man Elwood in seiner quasi genealogischen Betrachtung der bisherigen Entwicklung des Calvinismus zu folgen vermag, ist ihm im Blick auf dessen künftige Entwicklung zuzustimmen: „Während der moderne Westen jetzt der nachfolgenden Postmoderne und dem Pluralismus Platz einräumt, findet Calvins reformierte Tradition fruchtbaren Boden außerhalb des Westens besonders in Asien vor, und seine Hinterlassenschaft wird neue Formen annehmen. Und während also der Calvinismus in den unterschiedlichsten Formen weitermarschiert und sich in neue Welten begibt, welche Calvin sich wohl kaum hatte vorstellen können, mag man darauf hoffen, dass seine Erben seine Hinterlassenschaft für konstruktive Ziele einsetzen.“ (S.183)
Noch ein Wort zur Übersetzung. Aufgrund mehrjähriger theologischer Lehrtätigkeit in Decatur ist Margit Ernst-Habib bestens mit den amerikanischen Verhältnissen vertraut. Und so findet sich die stilistische Leichtigkeit des Originaltextes auch über weite Strecken in der Übersetzung wieder. Allerdings wirkt die syntaktische Nähe zum englischen Originaltext mitunter etwas sperrig, und die Begriffswahl führt stellenweise zu theologischen Unschärfen, die im Originaltext so nicht vorhanden sind.
Unter diesem Aspekt ist einer weiteren Auflage des Buches eine nochmalige Durchsicht der Übersetzung zu wünschen.
Ausdrücklich zu danken ist der Übersetzerin das gewissenhafte Einpflegen deutschsprachiger Veröffentlichungen in die Literaturhinweise und der Nachweis zahlreicher im englischen Original nicht belegter Zitate, was das Anwachsen der Anmerkungen in der deutschen Ausgabe auf mehr als den doppelten Umfang erklärt.
„Calvin für zwischendurch“ von Christopher Elwood ist ein gelungenes Beispiel für die unverkrampfte Hochschätzung und Darstellung einer theologischen Position, ohne sich in Apologie oder Polemik zu verlieren. Mit leichter Hand, aber nicht ohne Sorgfalt geschrieben, trägt das Buch zu einer überzeugenden Entkräftung hinlänglich bekannter und geradezu stereotyp wiederholter Vorurteile über Calvin bei.
Wer sich auf den Stil und die unkonventionelle Art der Darstellung Elwoods einlässt, wird dieses Buch mit Gewinn, streckenweise mit Genuss lesen.
Christopher Elwood, Calvin für zwischendurch
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007
ISBN 978 – 3 525 – 63381 – 6
19,90 EUR
Reiner Rohloff, Pastor in Emlichheim