Abschied von alten Gottesanreden und Gottesbildern

Predigt zu Sacharja 9, 11-17


Gottvater auf einem Fresco in der Karlskirche in Wien. © wikimedia

Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir!
Ja, er kommt, der Friedensfürst.
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!

Hosianna, Davids Sohn,
sei gesegnet deinem Volk!

Stopp! Ist Ihnen klar, was Sie da singen? Jahr für Jahr an Advent und Weihnachten, immer wieder. Und jetzt auch noch in der vorösterlichen Zeit. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk … 

Von wem singen wir da? Wer soll sich da freuen? Für welches Volk soll da Davids Sohn gesegnet sein? Was für ein König wird erwartet? Nun, die meisten von uns haben es im Religions- und Konfir­man­­­den­unterricht gelernt. Die Tochter Zion, sie steht für Jerusalem, aber natürlich nicht für das wirkliche Je­ru­sa­lem, sondern – ja wofür eigentlich? Davids Sohn, das ist ein Nachfahr von König David, aber natürlich nicht wirklich, sondern – ja wie eigentlich? Das Volk, das ist Gottes Volk Israel, aber natürlich nicht wirklich, sondern – ja wer eigentlich? Ist Ihnen klar, was Sie da singen? Jahr für Jahr an Advent und Weihnachten, immer wieder. Und jetzt auch noch in der vorösterlichen Zeit. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk …

Ich lese die biblische Vorlage dazu und der Herr segne unser Reden und Hören er segne Ihr Beipflichten und Ihren Widerspruch!

9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde. (Sacharja 9)

Ja – die Tochter Zion, sie steht für Jerusalem. Wir haben in den Predigten der vergangenen Wochen gehört von Zerstörung und Wiederaufbau des Tempels, von der Wiederkehr der Exilierten zum Zion. Ja – Davids Sohn, die Figur kennen wir auch aus anderen Schriften des Alten Testaments. Er steht als Hoffnungsträger für das Wiedererstarken des Reiches Israel in Sicherheit und Frieden. Ja – das Volk, es ist das erwählte Volk, mit dem Gott seinen Bund geschlossen hat. Nur – singen wir davon Jahr für Jahr an Advent und Weihnachten, immer wieder? Und jetzt auch noch in der vorösterlichen Zeit. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk … Hat Friedrich Heinrich Ranke, der Pfarrer aus Rückersdorf und Professor in Erlangen, davon singen wollen, als er das Lied um 1820 dichtete?

Ganz bestimmt nicht! Man weiß es, wie seine Zeitgenossen von Kanzel und Katheder predigten. Da hieß es: Was Gott durch den Mund seiner Propheten verheißen hat, das hat er den Juden nur an­ver­traut, bis die Zeit reif war, es ein für allemal umzudeuten: Jesus ist der Davidssohn. Jesus ist der messianische König. Die Christen sind das neue Volk Gottes. Jerusalem, das ist seit Christi Geburt ein Symbol für die Christenheit, denn Gott hat die Juden verworfen. So jedenfalls lehrten es im 19. Jh. immer noch die Konservativen.

Und die Progressiven? Die aufgeklärten Theologen, die nicht mehr glaubten, dass Gott den Propheten geheime Botschaften über das Kommen von Jesus Christus in den Mund gelegt hat? Die Progressiven haben die Juden auf andere Art enteignet. Der berühmte Theologe und Philosoph Schleier­macher zum Beispiel: Das Ju­den­tum, es sei eine vom Christentum endgültig überholte Religion, weil es keine re­li­giö­sen Gefühle, son­dern Gesetzestreue präsentiere: Rache und Vergeltung und gnadenlose Ge­setzlichkeit statt „Sinn und Geschmack für das Unendliche“.

Und da höre ich jetzt zwei Stimmen – vielleicht auch aus Ihren Reihen.

Die eine Stimme sagt: Ja, aber wir denken doch längst nicht mehr so. Wir diskriminieren die Ju­den nicht, wir reden doch von Ihnen als unseren älteren Geschwistern, wir denken doch re­li­gionstolerant. Seit mehr als 50 Jahren … Ja, ich weiß das. Aber in den meisten unserer Kir­chen­lieder singen wir – nicht nur zur Weihnachtszeit – von Jerusalem, vom Zion, von Jakobs Zelt so, als ob das alles uns allein gehören würde. So dachten nämlich ausnahmslos unsere Liederdichter.

Die andere Stimme sagt: Warum sollen wir das Alte Testament denn nicht auf Jesus über­tra­gen? Er hat sich doch selbst als Davidssohn, als der verheißene Mes­sias betrachtet. Naja … Dass man seinen Geburtsort als Bethlehem, als Davidsstadt, angegeben hat, dafür kann er nichts. Und der Einzug in Jerusalem? Auf einem Esel … Diese Geschichte ist höchst un­wahr­scheinlich. Allein die Übertreibungen: Ganz Jerusalem – Tausende von Pilgern – jubeln ihm zu. So wie es dann kurz darauf heißt: das ganze Volk schreit: Kreuzige! Man weiß, dass zur damaligen Zeit immer wieder einzelne Sonderlinge sich als Messias feiern ließen.

Wo Mon­ty Python Recht hat, hat er Recht! Aber dass der Wan­der­pre­diger aus Nazaret den Mes­sias­titel für sich in Anspruch nahm, wird von der Mehrheit der Theologen bezweifelt. Den Ein­zug in Jerusalem, den haben die Verfasser des Neuen Testaments wunderschön und in ech­tem Glaubenseifer erzählt. Ihnen war nach Ostern klar geworden, dass dieser Jesus der­je­­nige ist, in den man seine Hoffnungen auf eine Frie­dens­herr­schaft – auch für die Heiden – setzen kann. Die Adressaten der Evangelien waren vertraut mit den pro­phetischen Trost­bil­dern vom Kommen des Messias. Und sie konnten durch eine solche Erzählung in ihrer jü­di­schen Tradition bleiben und gleichzeitig Jesusjünger werden.

Aber wir heute? Ich jedenfalls ver­mag das Lied vom Friedenskönig und der Tochter Zion nicht mehr un­befangen mit­zu­sin­gen. Wie sollen wir umgehen mit unserer Geschichte? Mit der jahr­tau­sen­dealten Enteignung des Judentums. Wir bekennen doch Sonntag für Sonntag den Na­men Gottes, der Bund und Treue hält ewiglich, der uns mit hinein genommen hat in seine ewi­ge Gemeinschaft. Er hat nicht um unsretwillen die Ersterwählten wieder verstoßen!

Und wieder stelle ich mir Ihre möglichen Einwände vor: Was soll uns dieser Hinweis? So den­ken nur die Ewiggestrigen. Wir doch nicht. – Ich weiß das. Aber ich höre das Gegenteil auf den Straßen. Dieses Geschrei vom christlichen Abendland. Lesen Sie mal Briefe, die der Rats­vorsitzende der EKD Bedford-Strohm erhält. Hassbriefe. Er sei kein echter Christ, weil er sich nicht hart genug gegen Juden und Muslime absetze. „Die Tradition, das christliche Abendland, das ist alles nur für uns. Die christlichen Werte müssen gerettet werden.“

So tönt es nicht nur auf den Pegida-Demonstrationen. Rettung des Abendlandes – und sei es um den Preis, die Menschen- und Freiheitsrechte zu zerstören oder zumindest zu unterhöhlen. In solchen Parolen höre ich wieder – in primitiver Einkleidung – die Sätze Schleiermachers, seine Rede vom höher­wer­ti­gen Wesen des Christentums. Wir haben die Religion der Liebe. Wir sind die Friedfertigen. Die anderen üben Rache und Vergeltung und gna­den­lose Gesetzlichkeit. Und auf den ersten Blick scheint das ja sogar zu stimmen. Wir müssen nur unseren Text vom Einzug des Friedenskönigs bei Sacharja weiterlesen:

10Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegs­bogen soll zerbrochen werden. […] 11Auch lasse ich um des Blutes deines Bundes willen deine Gefangenen frei aus der Grube, in der kein Wasser ist; 12so kehrt heim zur fes­ten Stadt, die ihr auf Hoffnung gefangen liegt. Denn heute verkündige ich, dass ich dir zwei­fach erstatten will. 13Denn ich habe mir Juda zum Bogen gespannt und Ephraim darauf ge­legt und will deine Söhne, Zion, aufbieten gegen deine Söhne, Griechenland, und will dich zum Schwert eines Riesen machen. 14Und der HERR wird über ihnen erscheinen, und seine Pfei­le werden ausfahren wie der Blitz, und Gott der HERR wird die Posaune blasen und wird ein­herfahren in den Stürmen vom Südland. 15Der HERR Zebaoth wird sie schützen, und die Schleu­dersteine werden fressen und niederwerfen und Blut trinken wie Wein und voll davon werden wie die Becken und wie die Ecken des Altars.

Nun, da hatte unser alter Liederdichter Ranke gar nicht so unrecht, die Melodie von Händel für sein Adventslied zu wählen. Die Melodie, die im Gesangbuch so gefühlvoll daherkommt, hat nämlich der Komponist in zwei Opern als Triumphmarsch verwendet, in Judas Mac­ca­bä­us und in Josua. Triumphmarsch für einen gewalttätigen Wider­stands­kämp­fer und Triumph­marsch für einen Feldherrn, der vor Jericho die Posaunen blasen ließ, um an­schlie­ßend die Zi­vil­bevölkerung gnadenlos niederzumetzeln. Kennen Sie die Verse?

21Und alles, was in der Stadt war, weihten sie der Vernichtung mit der Schärfe des Schwerts, Mann und Frau, Jung und Alt, Rind, Schaf und Esel. 26Und zu jener Zeit ließ Josua schwö­ren: Verflucht ist der Mann vor dem HERRN, der sich aufmacht und diese Stadt, Jericho, wie­der aufbaut. Es soll ihn seinen Erst­ge­bo­re­nen kosten, wenn er ihren Grundstein legt, und seinen Jüngsten, wenn er ihre Tore einsetzt. 27Und der HERR war mit Josua, und man hörte von ihm im ganzen Land. (Josua 6)

Ja – das sind sie, diese Ideen vom erkämpften verheißenen Land, von einem Frieden durch Gewalt: Gottes Pfeile werden ausfahren wie der Blitz, seine Schleudersteine werden Blut trinken wie Wein. Die Soldaten Gottes aber werden zum Schwert eines Riesen. Und der Herr ist mit ihnen … Gott mit uns! So formulierte das George Bush im Irak-Krieg. Und so ver­kün­det es der IS in seinen Videobotschaften: Krieg für ein Kalifat der befriedeten glücklichen End­zeit. Allah ist groß! Und wir seine Kämpfer! Nieder mit politischer Unterdrückung und westlicher Unmoral! Wir errichten das Paradies auf Erden! Und sei es durch Terror.

Und schon wieder sind wir da mit unserer Über­le­gen­heits­rhetorik: Aber wir doch nicht! Wir haben die Religion der Liebe. Wir sind die Friedfertigen. Die anderen üben Rache und Vergeltung und gnadenlose Gesetzlichkeit.  

Ja, haben Sie denn die Lesung nicht gehört? 1000jähriges Reich am Ende der Zeit. Bilder vom Gewaltrausch. Das letzte Buch des Neuen Testaments ist voll davon. Friedensreich durch Krieg. Die Engel – ein siegreiches Heer. Gott der oberste Feldherr und siegreiche König über alle Ungläubigen. Nieder mit ihnen in die Hölle …

Was ist da in unserer christlichen Tradition anders als bei Sacharja und bei den Islamisten? Der Friedenskönig, den der Prophet verkündet, verschafft auch nur dem eige­nen Volk einen Frieden, einen Gewaltfrieden nach der Niederlage der Gegner. Und der Frie­dens­­könig, den die christliche Tradition an Palmsonntag feiert, hat seine Anhänger 2000 Jahre nicht zur Ver­­­nunft bringen können: Ketzerprozesse, Religionskriege, Kreuzzüge.  Die Menschenrechte sind im 18. und 19. Jahrhundert gegen den Widerstand der Kirchen durch­gesetzt worden. Und heute? Da erntet unser reformierter Glaubensbruder Donald Trump tosenden Beifall, wenn er brüllt, dass der Staat die christlichen Werte schützen muss – selbstverständlich mit Mauern und Gewalt. Und  un­se­re ungarischen und slowakischen Schwes­ter­kir­chen pflichten ihm bei.

Was sagen Sie? Wir aber doch nicht. Wir haben die Religion der Liebe. Wir sind die Friedfertigen. Die anderen üben Rache und Vergeltung und gnadenlose Gesetzlichkeit.

Unsere Militäreinsätze sind wohl überlegt – wir helfen ja nur, die Bösen zu beseitigen. Wenn erst genug Bom­ben auf Stellungen des IS gefallen sind, dann wird alles gut werden. Ist alles gut geworden nach dem Tod von Osama Binh Laden? Ist alles gut geworden nach dem Tod von Sadam Hussein? Gewalt gegen Gewalt. So haben wir es seit Jahrhunderten gelernt. Es gibt einen gerechten Krieg – so können wir es nachlesen von Augustinus bis Luther und bis ins 20. Jahrhundert. Unsere tradierten Texte sind voll von Feindschaft und einer ra­dikalen Tren­nung in Gute und Böse. Voll von kriegerischen Bildern, voll  von Königen und pa­triar­cha­li­schen Despoten, von Herrschern und Feldherrn. Und immer wieder: voll von einem ge­walt­tä­tigen Gottesbild.

Und das ist ein weiterer Grund, warum mir das Lied vom Friedenskönig für Jerusalem nicht mehr so leicht von den Lippen geht.

  • Was soll uns diese Vorstellung von Gott als oberstem Herrscher. Wir Europäer haben in einer leidvollen Geschichte die Herrscher abgeschafft! Mein Enkel soll lernen, dass er in einer Demokratie lebt, in der alle Bürger für die Herrschaft verantwortlich sind. Warum soll er sich Gott als altorientalischen Scheich oder als hellenistischen Imperator vor­stel­len? Auch ein Alleinherrscher ohne Pferd bleibt ein Alleinherrscher.
  • Was soll uns überhaupt diese Vorstellung von Christus als König heute noch? Könige sind für uns Figuren aus dem Kasperletheater oder dem Märchen. Soll ich meinem Enkelsohn am Palmsonntag erzählen, dass Jesus als König in Jerusalem eingezogen ist. Dann lernt er ja gleich, dass man die Geschichten der Bibel abtun kann wie die Märchen und das Kasperletheater, wenn man groß und vernünftig geworden ist.
  • Und noch ein Letztes: Gott, der Allmächtige. Der also, der alles kann, was wir so gerne könn­ten und alles so macht, wie wir es uns in unseren Omnipotenz-Phantasien wün­schen, einer, der alle Gegner besiegt. Mein Enkel soll lernen, dass Gott anders mächtig ist. Unvorstellbar. Durch unsere Bilder nicht einholbar.

Darum möchte ich mich von vielen alten Gottesbildern und Gottesanreden verabschieden, so schwer es auch manchmal fällt. Natürlich sind sie Teil unserer Kultur. Natürlich singen wir das alles in der Kir­chenmusik. Ich kann darauf nicht ganz verzichten. Aber ich möchte den abgrundtiefen Graben nicht zuschütten, der uns gedanklich und objektiv davon trennt. Wir müssen uns sehr gut überlegen, wie wir künftig zu religionsfernen Generationen glaubwürdig von Gott sprechen. Jedenfalls nicht als König und Herr, als Herrscher und allmächtiger Pa­tri­arch … Wenn Jesus Christus mit seinem Leben und Sterben wirklich die Ikone des Ewigen ist, das Ebenbild Gottes, dann dürfen wir nicht Bilder der Gewalt und der Herrschaft auf ihn übertragen. Schön sind Seine Namen, schön sollen seine Namen sein …

Ich möchte Sie einladen, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um sich auf ihre eigenen Gefühle und Gedanken einzulassen: Wie haben Sie ganz persönlich Gott als Messias, als Heiland, als Gott-für-mich erfahren? In welches Bild können Sie Ihren Glauben kleiden? Welche Namen und Rollen passen zu Jesus?

Meditative Musik

Gerne würde ich Sie jetzt auffordern, sich darüber miteinander auszutauschen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie das wollen. Darum erlauben Sie mir, selber persönlich zu werden.

  • Gott ist für mich das Jenseits meines Daseins. Ich komme immer wieder in Situationen, die mir meine Grenzen aufzeigen. Ich habe mich nicht selbst gemacht und ich kann nicht alles, was ich will, auch werden oder bleiben. Das macht mich oft dankbar und manchmal zornig und verzweifelt.
  • Gott ist für mich der Freund, die Mystiker sprachen früher vom Bräutigam. Ihm kann ich ver­trauen und ihm kann ich mich anvertrauen, weil er mich ermuntert und weil er mich kritisiert. Aber ich bin nicht seine willenlose Untergebene. Vielmehr kann ich auf seine Nachsicht rechnen, wenn ich Fehler mache. Und auf seinen Trost, wenn ich unglücklich bin.
  • Gott ist für mich der Parteiliche. Er hat durch Jesu Leben und Sterben gezeigt hat, dass er nicht auf der Seite der Täter ist. Dadurch bekomme ich Weisung für meine eigenen Parteinahmen.
  • Gott ist für mich das sich nie ganz enthüllende Geheimnis. Ziel und Richtung des Lebens mit all seinen Widersprüchen in der Hoffnung auf Vollendung.

All das kann ich freilich nur denken und fühlen, weil ich in der Tradition aufgewachsen bin, den alten Schriften und Liedern. Der Tradition verdanken wir unseren Glauben. Aber auch: Die Tradition überliefert vieles, was wir verwerfen müssen.

Ist das verwunderlich? Das menschliche Reden und Denken ist grundsätzlich einem Wandel unterworfen. Dafür aber, dass wir in diesen Veränderungen selber verantwortlich reden und denken, ist uns Got­tes Geist gegeben. Der Geist der Freiheit und nicht der Angst, der Geist der Kinder Gottes und nicht der Marionetten einer Traditionspflege, die nur alte Formeln nach­betet. Dank sei Gott, dass er sich in die menschliche Sprache hinein vermittelt hat – trotz möglicher Fehldeutungen. Dank sei Gott, dass er sich in unser Denken hinein erniedrigt hat – trotz mög­licher Fehlschlüsse. Wie könnten wir sonst mit ihm kommunizieren? Darum wage ich mein NEIN auszurufen:

  • Nein zu einem Friedenskönig, der durch Siege regiert.
  • Nein zu einem Weltbild, das uns zu Untertanen machen will, die von der Herrschaft eines Königs abhängig sind.
  • Nein zu überholten Gottesbildern.

Mit dem Nein bekenne ich aber gleichzeitig ein JA:

  • Ja zu einem Gott, der Juden und Christen und Muslime und alle Menschen zum Frieden bringen will. Die traditionellen Bilder dieses Friedens können unsere Hoffnung stärken und unsere Aktivität beflügeln. Sie können die schlimmen anderen biblischen Ge­schich­ten überstrahlen.
  • Ja zu einem Gott, der uns bei unseren schwierigen politischen Entscheidungen begleitet, ohne selbst einzugreifen. Wir wissen nie sicher, ob wir Recht haben. Die Gegner schei­nen in der Überzahl, auch die gewalttätigen. Unsere Fehler schlagen immer wieder auf uns zurück. Wir brauchen Mut, wir brauchen Trost, wir brauchen Vergebung.
  • Ja zu einem Gott, der sich in Jesus Christus als bedingungslose Liebe gezeigt hat. Die­ser Liebe gilt es – so bruchstückhaft auch unsere Versuche sind – nachzueifern.

Dazu helfe uns der namenlose Gott, von dem wir uns kein Bild machen sollen, den wir aber als Vater, Sohn und Heiligen Geist anrufen dürfen.

Amen

Predigt gehalten am 6. März 2016 im Rahmen einer Predigtreihe der Ev.-ref. Gemeinde Nürnberg


Ältestenpredigerin Gudrun Kuhn, Nürnberg