Die Guten ins Töpfchen - die Schlechten ins Kröpfchen?

Asylpolitisches Forum über Flüchtlingspolitik als Auslesepolitik


Birgit Naujoks, Dietrich Eckeberg, Helge Hohmann, Burkhard Schnieder und Thorsten Klute auf dem asylpolitischen Forum 2016. Foto: IKG/EKvW

Die Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts in Deutschland stand im Mittelpunkt des mittlerweile 30. Asylpolitischen Forums der Akademie Villigst.

Rund 160 Gäste interessierten sich für das hochaktuelle und brisante Thema. Der Austausch von Aktiven in der Flüchtlingshilfe und der Dialog mit Politik und Verwaltung war Inhalt der 3-tägigen Veranstaltung.

Das Forum sei kein »dritter, neutraler Ort«, als den sich die Evangelische Akademie sonst verstehe, bekräftigte Pfarrer Helge Hohmann, Studienleiter der Akademie und Beauftragter für Zuwanderungsarbeit der evangelischen Landeskirche, die besondere Position des Forums. Es habe vielmehr schon immer Partei ergriffen. Die Hilfe für Schutzsuchende orientierte sich dieses Mal an der politischen Diskussion um Auswahl und Obergrenzen bei Flüchtlingen. Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW nahm das Tagungsthema »Die Guten ins Töpfchen - die Schlechten ins Kröpfchen« auf und kritisierte: »Es wird unterschieden zwischen den Guten, die wir haben wollen, und den Schlechten, die wir abschieben wollen.« Sie sieht schlimme Folgen: »Es wird eine Gruppe von Menschen stigmatisiert. Wir sammeln sie in Einrichtungen, wo sie keine Integration erfahren und schotten sie damit ab.«

In der deutschen Flüchtlingspolitik gehe es aktuell auch um Auslese, erklärte Hohmann das Motto in Anlehnung an die Märchenformel der Gebrüder Grimm. Die Genfer Flüchtlingskonvention erscheine eher nur noch als »Good-Will-Charta«. Die Einteilung nach Herkunftsländern entscheide über Schutz und Lebenschancen, das widerspreche dem Recht auf Prüfung des Einzelfalls, wozu die Genfer Flüchtlingskonvention verpflichte. Zur Unterstützung zitierte Helge Hohmann die Präses der westfälischen Landeskirche, Annette Kurschus: »Christliche Verantwortung macht nicht an unseren europäischen Grenzen halt. Verantwortung und Menschlichkeit lassen sich nicht durch Obergrenzen deckeln.«

Im vergangenen Jahr sind rund 330.000 Flüchtlinge nach NRW gekommen. Burkhard Schnieder vom nordrhein-westfälischen Innenministerium geht davon aus, dass nächstes Jahr 120.000 von ihnen ausreisepflichtig sind: »Es geht jetzt darum, zu klären, wer bleiben darf.« Man müsse sich darauf einstellen, dass in hoher Zahl Geflüchtete abgeschoben würden. Burkhard Schnieder: »Wir müssen für die Bewahrung der Willkommenskultur auch strikt in Entscheidungen sein.« Dietrich Eckeberg, Flüchtlingsexperte der Diakonie, versteht Willkommenskultur anders. Sie erfahre »mächtige Störungen durch die Innenpolitik«. Es fehle an Integrationsangeboten, die Zugänge seien versperrt und die Wartezeiten zu lang. Schlimme Folge: »Das Ehrenamt ist komplett entmutigt. Es geht nur noch um Abschiebung oder Abschreckung«. Statt durch die Abschieberhetorik rechtspopulistische Ansätze zu unterstützen »ist es jetzt an der Zeit, Integration zu gestalten.«

Der Staatssekretär für Integration im NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Thorsten Klute, verteidigte die derzeitige Flüchtlingspolitik und nannte den Integrationsplan eine echte Errungenschaft: »Bisher ist NRW das einzige Bundesland, das einen solchen Plan zur systematischen Integration hat.« Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, sieht dagegen im Integrationsplan keinen Ausdruck der Willkommenskultur. Diese würde sich nur in der Praxis zeigen.

Kirsten Eichler, Mitglied im Vorstand des Flüchtlingsrates NRW, erinnerte in ihrem Grußwort an die Gründung des Forums 1986 in Mühlheim und stellte fest, dass das Asylrecht seitdem stetig ausgehöhlt worden sei.

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Pressemeldung der EKVW, 7. Dezember 2016