Anhang: Johannes Calvin

Unterrichtseinheit Calvin und Zwingli. Von Wolfram Kötter

Ein Text zu Johannes Calvin zur Vorbereitung der Mitarbeitenden im Konfirmandenunterricht

Wolfram Kötter, Unterrichtseinheit Calvin und Zwingli. Anhang Johannes Calvin. PDF

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Johannes Calvin wird am 10.7.1509 in Noyon geboren und beschließt nach dem Schulbesuch in Paris Jura zu studieren. Sein Vater war bischöflicher Beamter, und auch für ihn war die Juristerei als Studienfach bestimmt. Der Vater wollte, dass auch sein Sohn einmal vom reichen Quell der katholischen Kirche leben sollte. Gott fügte es anders. In Paris begegnete der junge Student französischen Ausläufern der lutherischen Reformation und bekehrt sich zum Protestantismus: „Obwohl ich hartnäckig dem Aberglauben ergeben war, hat Gott durch eine plötzliche Bekehrung mein Herz gebändigt und sich gefügig gemacht.“ Als ein Mensch, dessen Leben von Grund auf verwandelt war, stellte er sich fortan bedingungslos in den Dienst Gottes. 1534 entsteht in Basel, wohin Calvin emigriert ist, die erste Fassung seiner Schrift „Unterricht in der christlichen Religion“.

Als die Pariser Universität einen neuen Rektor, den Mediziner Copus, einen Freund Calvins, gewählt hat, ist es beiden klar, dass die traditionelle Antrittsrede der Verkündigung des reinen Evangeliums dienen muss. Calvin schreibt dem Freund diese Rede unter dem harmlosen Titel „Über die christliche Philosophie“. Am Allerheiligentag wird vor dem Hof und den Spitzen der Gelehrsamkeit diese „ketzerische“ Vorlesung gehalten. Was Wunder, dass man daraufhin ein Exempel statuieren will und der Redner samt seinem Freund Hals über Kopf die Stadt verlassen muss! Calvins erste Flucht hebt an; die evangelische Gemeinde in Paris hat ihren Leiter verloren. Sein Leben ist voller Unruhe, er ist gejagt im eigenen Vaterland und darüber hinaus. Nur hin und wieder findet er eine stille und ruhige Klause, in der er dann gleich mit Feuereifer arbeitet und schreibt. So entsteht in Basel der erste Entwurf seines weltbekannten Buches, der "Institutio". Von Basel aus will er nach Deutschland. Er sucht Ruhe, die immerwährende Flucht droht sein Leben zu zerstören. So kommt er nach Genf, wo er übernachten will. Während er ruhig in der Herberge sitzt, ahnt er nicht, dass er gesehen und erkannt wurde. Er weiß nicht, dass der Reformator der Stadt, Farel, auf dem Weg zu ihm ist. Und dann steht Farel plötzlich fordernd vor ihm. Er soll in Genf bleiben, er soll ein Amt in der Kirche übernehmen, er soll mithelfen, dass die Reformation zum endgültigen Siege gelange. Nein, das will er nicht. Er spricht von seinem Reiseziel und seinen Plänen, all der Arbeit, die noch vor ihm liegt, bis ihn die harten, unerbittlichen Worte seines Gegenübers in Herz und Gewissen treffen: „Um deine Ruhe, um deine Lieblingspläne bist du besorgt. So verkündige ich dir im Namen Gottes, dessen Gebot du widerstehst: auf deinen Arbeiten wird kein Segen liegen; so verdamme Gott deine Ruhe, so verdamme Gott deine Arbeit!“

Da beugt Calvin sein Haupt: „Ich gehorche Gott.“

In derselben Woche, in der Genf im Jahre 1536 der Reformation zustimmte, wurden soziale Einrichtungen gegründet: eine Abteilung für öffentliche Schulausbildung und das Krankenhaus.

Die Vielseitigkeit Calvins bei der Wahrnehmung öffentlicher Belange ist erstaunlich. In den Jahren nach seiner Rückkehr setzte er sich für die Häuser- und Straßenreinigung ein. Besonders in Pestzeiten musste aller Unrat unbedingt entfernt werden. Er bewog den Rat, den Verkauf der Lebensmittel zu überwachen und alle verderbliche Ware in die Rhone werfen zu lassen. Weil wiederholt kleine Kinder aus den Fenstern stürzten, regte er an, die Fenster mit Geländern zu versehen; der Rat erließ eine entsprechende Verordnung.

Am 29. Dezember 1544 erschien er vor dem Rat und legte die Notwendigkeit dar, Arbeitsplätze zu beschaffen. Mit staatlicher Unterstützung wurde daraufhin in Genf eine Tuch- und Samtweberei eingerichtet. Die Konkurrenz Lyons hat später diese Industrie wieder zum Erliegen gebracht. Selbstverständlich kümmerte sich Calvin auch um den Bettel, die Versorgung der Armen und um das Spital. Wiederholt wird er zu den Ratsitzungen herangezogen, in denen über die Beilegung des Streites mit Bern beraten wurde.

Eine erweiterte Fassung der Institution erscheint 1559. Sie ist die erste ausgeführte Dogmatik der Reformation. Im Jahr 1560 schuf Calvin eine Kirchenordnung (Ordonnances Ecclésiasti­ques), die bis heute an ihrer Aktualität nichts verloren hat: die reformierte Kirche verwaltet sich selbst so weit als möglich und an der Spitze steht nicht eine einzelne Person, sondern ein ganzes Team, in dem Theologen und Nichttheologen sich die Verantwortung für die Kirche teilen und als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten. Im von Calvin geschaffenen Führungskonzept bahnt sich deutlich das Prinzip der Gewaltenteilung an, weil sich die verschiedenen Ämter u. a. gegenseitig zu kontrollieren hatten.

Der wichtigste Punkt dieser Kirchenordnung ist die Lehre von den vier Ämtern:

  • Pfarrer (zuständig für Predigt und Seelsorge);
  • Doktoren oder Lehrer (zuständig für den Unterricht);
  • Älteste (dem weltlichen Rat entnommen, d.h. zwölf Ratsherren, welche die Be­völkerung vertraten;
  • Diakone (für die Armenpflege).

Aus der Genfer Kirchenordnung (1561)

2. Es gibt vier Klassen und Arten von Aufträgen, die unser Herr für die Leitung seiner Kirche gestiftet hat, nämlich die Pastoren, dann die Doktoren (der Heiligen Schrift), hierauf die Ältesten, viertens die Diakonen.

4. Der Auftrag der Pastoren, die die Schrift hie und da auch Aufseher, Älteste und Diener nennt, ist, das Wort Gottes zur Lehre, zur Ermahnung, zur Zurechtweisung und zum Tadel öffentlich und den Einzelnen zu verkündigen, die Sakramente zu verwalten und zusammen mit den Ältesten (und Ratsbeauftragten) die brüderlichen Zurechtweisungen durchzuführen.

43. Der den Doktoren eigentümliche Dienst ist, die Gläubigen in der gesunden Lehre zu unterweisen, damit die Reinheit des Evangeliums weder durch Unwissenheit noch durch Irrlehren verderbt werde.

48. Die Ältesten haben die Aufgabe, über dem Lebenswandel jedes Einzelnen zu wachen und die in Liebe zu ermahnen, die sie straucheln und ein ungeordnetes Leben führen sehen. Und nötigenfalls sollen sie der Körperschaft, die verordnet werden soll, um die brüderlichen Zurechtweisungen auszuüben, berichten und sie sollen dann zusammen mit den andern (Dienern) über die Ermahnungen Beschluss fassen.

49. Entsprechend der Lage der hiesigen Kirche soll man dafür ... (zwölf) Leute von gutem und ehrbarem Lebenswandel, untadelige Männer von gutem Ruf wählen, die vor allem gottesfürchtig und mit guter Klugheit in geistlichen Dingen ausgerüstet sein müssen.

56. In der alten Kirche hat es immer zwei Arten [von Diakonen] gegeben: Die Aufgabe der einen war, das Armengut, aus den täglichen Almosen, dem Grundbesitz, den Zinsen und Renten bestehend, anzunehmen, zu verteilen und zu verwalten; die der andern, die Kranken zu verbinden und zu pflegen sowie die Armen zu speisen. Deswegen gehört es sich, dass alle christlichen Städte sich danach richten, wie wir es auch versucht haben und auch weiterhin tun wollen.

60. Man soll sorgfältig darüber wachen, dass das Allgemeine Spital in gutem Zustand erhalten bleibt und dass dort Kranke, arbeitsunfähige Alte, Witwen, Waisen und andere Arme aufgenommen werden. Jedoch soll man die Kranken in einem besonderen Gebäude, getrennt von den andern, unterbringen.

zit. nach: Paul Börger, Quellen zur Geschichte der Reformation, Quelle & Meyer, Heidelberg 1967, S. 63 f.

Besonders in Briefen ringt Calvin um die kirchliche Einheit und regt 1552 ein ökumenisches Konzil an: „Wäre es doch nur zu erreichen, dass an einem bestimmten Ort gelehrte, ernsthafte Männer aus den wichtigsten Kirchen zusammenträten, die einzelnen Artikel des Glaubens fleißig besprächen und den Nachkommen die sichere Schriftlehre über alles Gemeinsame hinterließen.“

Johannes Calvin privat: 1540 heiratet Calvin Idelette de Bure. 1542 stirbt kurz nach der Geburt das einzige Kind. Nach langem Leiden stirbt 1549 seine Frau. Calvin folgt ihr am 27. Mai 1564. Wir kennen Calvins Siegel: eine Hand hält ein Herz; dazu trägt das Siegel die Buchstaben J C. Die Siegel jener Zeit sagen nicht in erster Linie etwas über den Namen des Besitzers, sondern sie wollen sein Wesen beschreiben. Daher dürfen wir annehmen, dass diese Buchstaben nicht etwa Johannes Calvin bedeuten, sondern die Anfangsbuchstaben des Namens Jesus Christus. Und dann haben wir den ganzen Calvin: sein Herz gehört nicht ihm selbst, sondern er reicht es seinem Herrn Jesus Christus dar: „Da ich aber weiß, dass ich nicht mein eigener Herr bin, so bringe ich mein Herz, gleichsam ertötet, dem Herrn zum Opfer dar.“


©Wolfram Kötter, Herford

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