Ein Glaube, der mit der weltweiten Christenheit auf den wiederkommenden Herrn hofft, widersetzt sich populistischen Heilsversprechen und nationalen Drohgebärden.

Leitsatz IV der Friedenserklärung des Reformierten Bundes

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Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Hier finden Sie Leitsatz IV zusammen mit weiterführende Materialien und Impulsen.

Neben dem Freund­-Feind­-Denken wird aktuell in Europa und weltweit ein zunehmender demagogi­scher Populismus wirksam. Beispiele sind in Eu­ropa die Brexit­-Abstimmung in Großbritannien, der Umbau der Türkei zum Präsidialsystem, die Staats­krise in Polen sowie rechtspopulistische Wahlerfol­ge in Ungarn, Österreich, Frankreich, Niederlande, Deutschland, Schweden u.a. Der demagogische Populismus ist vielfach mit ei­nem neuen Nationalismus verknüpft. D. h., die eige­ne Nation wird überhöht; die Suche nach nationa­ler Identität erfolgt in der Ablehnung einer ‚offenen Gesellschaft‘ sowie in der Ausgrenzung anderer.

In Letzterem kommt eine „Gruppenbezogene Men­schenfeindlichkeit“ (Wilhelm Heitmeyer) zum Aus­druck, die die Ungleichwertigkeit von Einzelnen und Gruppen behauptet und dadurch diskriminierende Maßnahmen rechtfertigt. Neben Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und der Abwertung von Menschen, die Asylsuchen, gehört dazu auch die Abwertung von Menschen mit anderen religiösen Zugehörigkeiten (z. B. Antijudaismus sowie Islam­ und Christentumsfeindlichkeit).

Der Rechtspopulis­mus bedient sich dabei gezielter Tabubrüche; auch Falschmeldungen und Gerüchte kommen in den so­zialen Medien verstärkt zum Einsatz. Das Erfolgsrezept rechtsnationalistischer Parteien liegt darin, dass sie in der Bevölkerung diffuse Ängs­te schüren vor ‚Überfremdung‘ und Statusverlust in einer globalisierten Welt. Es wird die Überzeugung verbreitet, die angestammten Nationalstaaten wä­ren die Antwort auf die neuen weltpolitischen, wirt­schaftlichen und technologischen Realitäten des 21. Jahrhunderts. Zugleich gaukeln rechte Parteien simple Lösungen vor und greifen zu unseriösen po­litischen ‚Heilsversprechen‘: „Wir kümmern uns um Eure Sorgen.“

In diesem Sinne forcieren sie das Thema ‚Innere Sicherheit‘ und setzen die etablier­ten Parteien unter Druck. Diese reagieren, indem sie nun ihrerseits z. B. verstärkt auf Flüchtlingsab­wehr mit polizeilichen und militärischen Mitteln set­zen. Die etablierten Parteien tun sich schwer, dem Neonationalismus etwas entgegenzusetzen; sie ha­ben „Angst vor der Angst der Leute“ (Heinz Bude). Besonders der Ausgang der US­-Präsidentschafts­wahlen zeigt die verheerenden Auswirkungen eines demagogischen Populismus: Nach dem Wahlerfolg ignoriert die neue US­-Regierung demokratische Grundwerte wie Gewaltenteilung, Folterverbot, Presse-­ und Religionsfreiheit. Wichtige politische Weichenstellungen werden infrage gestellt wie Kli­maschutz und Gesundheitsversorgung. Stattdes­sen setzt die neue Regierung auf Protektionismus und Markt­-Abschottung. Sie plant die Erhöhung der Rüstungsausgaben und schreckt selbst vor völker­rechtswidrigen Militäraktionen nicht zurück (wie z.B. dem Vergeltungsschlag in Syrien vom April 2017). Damit provoziert die US­-Regierung neue Handels-­ und Militärkonflikte. Zudem treibt sie mit ihrer Politik die Krise und Spaltung der USA weiter voran.

Wir dagegen warnen vor populistischen Heilsver­sprechen und nationalen Drohgebärden. Unser Glaube gründet sich vielmehr in dem Kommen Jesu Christi, das schon jetzt durch seinen Geist – trotz und inmitten unserer Beklommenheit – präsent ist und uns auf den Weg des Friedens führt. Und wie bereits 1982 betont richtet sich unsere „Hoffnung auf den wiederkommenden Herrn“ (These VII). Wie auch immer die weiteren politischen Entwicklungen sein mögen, der entscheidende Kurs der Geschich­te ist durch das Kommen unseres Herrn bestimmt. 1950 schloss Gustav Heinemann den Evangeli­schen Kirchentag in Essen mit den Worten: „Unse­re Freiheit wurde durch den Tod des Sohnes Gottes teuer erkauft. Niemand kann uns in neue Fesseln schlagen, denn Gottes Sohn ist auferstanden. Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen – unser Herr aber kommt!“5

Zudem sind wir als Christinnen und Chris­ten bezogen auf die weltweite Christenheit (Öku­mene) und verantwortlich für die eine Menschheit – daher protestieren wir gegen jede nationalistische Engführung. Wir hören indes durchaus den Vorwurf an Europa bzw. die Europäische Union, den Sozialstaat nicht genug gegen Konzerne, Markt und Globalisierung zu verteidigen. Die seit Jahren andauernde Wirt­schafts­- und Schuldenkrise in manchem europä­ischen Land hat in der Tat viele Verlierer und Verlie­rerinnen hervorgebracht. Bei manchen ist die Über­zeugung gewachsen, für die Krise bezahlten die Falschen. Die hinter dem Neonationalismus stehen­den Sorgen und Ängste der Menschen nehmen wir ernst, deren Verzweckung für rechtspopulistische Ideologien lehnen wir entschieden ab.

Bei aller Kri­tik an der Europäischen Union darf nicht verkannt werden, dass es sich um eines der erfolgreichsten Friedensprojekte in  der Geschichte handelt. Die Er­rungenschaften des Europäischen Einigungspro­jektes dürfen allein schon im Friedensinteresse nicht aufs Spiel gesetzt werden. Friede will auch in Europa als ‚gerechter Frieden‘ Gestalt gewinnen, so dass im Sinne der biblischen Botschaft gilt: „Frieden und Gerechtigkeit küssen sich“ (Ps 85,11). Die Friedenserklärung von 1982 hat damals auf Jes 32,17 verwiesen: „Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und die Frucht des Rechtes Sicherheit auf ewig“ (Erläuterung zu These IV).

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5 Gustav W. Heinemann, Glaubensfreiheit – Bürgerfrei­heit. Reden und Aufsätze. Kirche – Staat –  Gesellschaft 1945­-1975, hrsg. v. Dieter Koch, München 1990, 68
Botschaft von Chris Ferguson, Generalsekretär der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WCRC)

Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche

Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Frieden sehen wir als zentrale Verheißung unserer Kirche. Am Frieden wollen wir kontinuierlich arbeiten.