Drei in eins - warum eigentlich?

Predigt über die Dreieinigkeit Gottes von Georg Rieger

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Die Rede vom dreieinigen Gott muss in den Gemeinden entstanden sein und sich selbst erklärt haben. Diese Errungenschaft gilt es zu bewahren, nicht die verschraubten Formulierungen der Konzile.

Der Predigttext ist ein gut bekannter Abschnitt aus dem Matthäusevangelium, dessen Schluss nämlich:

Die elf Jünger aber gingen nach Galiläa, auf den Berg, wohin Jesus sie befohlen hatte. Und als sie ihn sahen, warfen sie sich nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat zu ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Liebe Gemeinde, im Jahr 325 lud der damalige römische Kaiser Konstantin alle 1800 Bischöfe seines Reiches nach Nicäa bei Konstantinopel ein. 300 davon kamen zusammen mit Presbytern und Diakonen und durften übrigens ihre Reisekosten mit der kaiserlichen Verwaltung abrechnen. An die 2000 Theologen debattierten über zwei Monate lang in einem Palast des Kaisers – über diese eben gehörte Dreieinigkeit Vater, Sohn und heiliger Geist. Erst zwölf Jahre vorher hatte der Kaiser durch ein Toleranzedikt das Christentum als offizielle Religion zugelassen. Einigen Bischöfen sah man die Verstümmelungen an, die Ihnen die letzte große Christenverfolgung eingebracht hatte, die wiederum gerade einmal 15 Jahre her war.

Der Sinneswandel des Kaisers war eigentlich auch nur taktischer Natur gewesen: Er erhoffte sich von den auf das Reich verteilten und gut miteinander vernetzten Christen eine stabilisierende Wirkung in seinem Vielvölkerstaat. Nun war allerdings in dieser sonst so friedlichen und toleranten Religion ein erbitterter Streit ausgebrochen. Das mit der stabilisierenden Wirkung drohte also nach hinten loszugehen. Entstanden war der Streit in Alexandria, also in Ägypten. Ein Presbyter namens Arius widersprach in einer Diskussionsrunde seinem Bischof und behauptete, Jesus sei nicht auf einer Ebene mit Gott zu sehen, es habe ihn nicht schon immer gegeben, sondern er sei von Gott geschaffen worden und also diesem untergeordnet. Ein anderer Mitarbeiter des Bischofs, der Diakon Athanasius, hielt dagegen und meinte, wenn Jesus ein Geschöpf Gottes sei, könne er nicht der Erlöser sein. Jesus sei vielmehr schon immer ein Teil Gottes gewesen, sei von diesem auch nicht zu unterscheiden.

Auf einer Synode der ägyptischen und libyschen Christen gingen die beiden Streithähne erneut aufeinander los. Von da an machte die Auseinandersetzung im gesamten Mittelmeerraum die Runde. So gab es über der Frage, wie göttlich Jesus Christus sei, in den folgenden sieben Jahren bis zum Konzil den ersten großen Konflikt, der die junge Christenheit sogar zu spalten drohte.

Wie gesagt: über zwei Monate weilten die Delegationen in Nicäa und redeten sich die Köpfe heiß. Dann wurde dem Kaiser das Gezänk der Theologen zu bunt und er ließ einen Kompromiss formulieren. In diesem Nicäischen Glaubensbekenntnis heißt es über Jesus, er sei „gezeugt aus dem Wesen des Vaters und gezeugt und ungeschaffen, wesenseins mit dem Vater.“

Um dem Kaiser einen Gefallen zu tun, unterschrieben fast alle Anwesenden diese Formulierung, die doch eigentlich niemand so recht verstand. Die Lehre des Arius sollte jedenfalls nicht weitergetragen werden, er selbst wurde verbannt. Aber die Arianer ließen nicht locker und so ging der Streit kurz danach weiter – mit erbitterter Härte. Gegenseitige Verleumdung, Exkommunikation und Verbannung waren an der Tagesordnung. Dazwischen errangen die Arianer sogar zeitweise die Oberhand.

Liebe Gemeinde, man ist geneigt, diesen Streit um die Dreieinigkeit als lächerlich zu empfinden. Wir können das einfach nicht mehr nachvollziehen, um welche Spitzfindigkeiten es da ging, und warum man sich darüber so ereifern musste. Wie es einem als Außenstehenden ja manchmal geht, wenn man Streitenden zuschaut und zuhört: Irgendwelche Kleinigkeiten werden aufgebauscht und bekommen eine Eigendynamik.

Auch Kaiser Konstantin hatte wohl seine Mühe, den Bischöfen und Presbytern zu folgen. Seine Kompromissformel ist deshalb auch keine Lösung, sondern eben ein Kompromiss. Und in der Tat glaube ich, dass die Frage, um die es in Nicäa ging, für uns heute nicht von so großer Relevanz ist. Wohl aber die Absicht der Streitenden. Sie alle wollten nämlich die Trinität erklären. Sie suchten nach Bildern und Vergleichen für die Dreieinigkeit. In Nicäa ging es vor allem um das Verhältnis des Vaters zum Sohn, ein paar Jahrzehnte wiederholte sich das Szenario um die Frage nach dem Wesen und der Aufgabe des Heiligen Geistes.

Interessant ist, dass alle Streithähne die Dreieinigkeit an sich nicht in Frage stellen. Und das, obwohl wir darüber in der Bibel kein Wort finden. Außer ein paar Wendungen, die im Nachhinein so interpretiert werden konnten, dass sie sich auf die Dreieinigkeit bezogen. Selbst Paulus, der ja ansonsten für verschrobene Gedankenspiele wohl zu haben war, redet von vielem, aber nie von der Trinität.

Der einzige Satz in der Bibel, in dem sie so vorkommt, wie wir sie heute oft zitieren, ist der sogenannte Taufbefehl, also das Ende des Matthäusevangeliums. Der auferstandene Jesus gibt seinen Jüngern den entscheidenden Auftrag, nämlich zu missionieren und zu taufen. Die darin eingearbeitete Taufformel „… auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“ ist tatsächlich der erste Beleg für die Dreieinigkeit Gottes. Sie ist aus den Taufritualen der ersten Christen entstanden, wurde auf Synoden diskutiert und schließlich festgelegt. Das passiert allerdings ungefähr 50 Jahre nach Jesu Tod, in einer Zeit, in der sich das Christentum zu festigen beginnt und sich Regeln herausbilden. Von da an bleibt die Trinität von wenigen Ausnahmen unbestritten – allerdings auch in ihrer Interpretation hart umkämpft.

Sie muss also in ihrer Entstehungszeit etwas sehr überzeugendes gehabt haben. Sie muss sich quasi selbst erklärt haben. Denn als theologisches Hirngespinst hätte sie diese Bedeutung niemals erlangt. Schließlich gab es damals noch keine Glaubenskongregation oder eine Lehrmeinung, die an Universitäten gepflegt worden wäre.

Nein, dieser Gedanke, dass Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei, muss in den Gemeinden verstanden und weitergetragen worden sein. Angesichts der diffizilen Argumentationen und hochtheoretischen Diskussionen auf den Konzilen – es gab nach Nicäa noch einige weitere – kann man sich das freilich schwer vorstellen. Das liegt aber möglicherweise daran, dass in dieser Zeit, aus der wir erheblich mehr Dokumente haben, schon die Feinheiten diskutiert wurden und das Wesentliche längst klar war.

Wir müssen also rekonstruieren, was für die Dreieinigkeit gesprochen hat und hoffen dabei zu entdecken, welche Bedeutung sie für uns heute haben kann.
Die Idee der Dreieinigkeit versucht – wie der Name ja schon sagt – drei Dinge zusammen zu bringen – in eins eben. Auch wenn es banal erscheint und Sie sagen, ja das wusste ich auch schon: Es macht Sinn, sich vor Augen zu führen, welche drei Dinge da zusammen gehören sollen.

  • Zum ersten handelt es sich um den Gott, den man als Gott Israels kennen und lieben gelernt hatte, der das eigene Leben und das der Vorfahren beschützt hatte. Das immer sich wiederholende Lob auf die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten steht für die Erfahrung mit Gott an sich: Gott ist einer, der befreit und der die Macht hat, Verhältnisse auf den Kopf zu stellen.
  • Zum zweiten handelt es sich um den Menschen Jesus, der die Macht Gottes mit einer außergewöhnlichen Friedfertigkeit verband, viel von Versöhnung und Erlösung sprach und Gott seinen Vater nannte. Seinen spektakulären Tod und die Erscheinungen des Auferstandenen verstehen seine Anhänger nach dem ersten Schock sehr bald so, dass Gott mitten unter ihnen etwas ganz Grundsätzliches hat geschehen lassen: Die Menschen sollen erlöst sein – erlöst von der Angst vor dem Tod und dem Gericht.
  • Und als drittes fühlten die Menschen etwas Verbindendes, das ihnen unmittelbar von Gott auszugehen schien – einen besonderen Geist eben. Die Pfingstgeschichte ist eine Übertreibung ins Wunderliche. Aber sie steht für ein Gemeinschaftsgefühl, ein gegenseitiges Verständnis und für eine Aufbruchsstimmung, die den Menschen nicht anders erklärlich gewesen sein muss als direkt von Gott gesteuert.

Nüchtern betrachtet sind diese drei Dinge tatsächlich unterschiedlich. Aber vor allem sind die letzteren beiden ja neu. Und sie gehen den Menschen nahe. Jesus war mitten unter ihnen und der Geist beflügelt ihre Herzen, zog sie in seinen Bann. Gott konnte aber nach der damaligen Vorstellung eigentlich gar nicht so nah kommen. Der Gott Israels durfte ja nicht einmal beim Namen genannt werden und die Menschen sollten sich von ihm kein Bild machen.
So bestand also die Gefahr, dass Gott in ein falsches Licht geriet: Götter, die Menschengestalt angenommen hatten, gab es in der griechischen und römischen Mytologie ja viele, aber diese spielten dann mit den Menschen, griffen in das Geschehen ein oder richteten Unheil an. Das mit Jesus war aber ja von ganz anderer Art.

Und auch was den heiligen Geist anging, gab es eine leicht missverständliche Parallele: Die griechische Philosophie der damaligen Zeit hatte ein Modell für Geisteszustände, nach dem Menschen durch bestimmte Erkenntnisse in höhere Sphären aufsteigen könnten. Auch das hatte mit dem Geist Gottes nichts zu tun. Um mit solchen Ideen nicht in Verbindung gebracht zu werden, mussten die ersten Christen die neuen Erscheinungs- und Erfahrungsformen Gottes geschickt integrieren.

Das eigentlich wundersame ist, dass die ersten Christen der Versuchung widerstehen konnten, sich einen ganz neuen Gott auszudenken. Nein, die neuen Erscheinungen Gottes sollten auf keinen Fall den „alten“ Gott alt aussehen lassen. Ihm galt es die Ehre zu geben. Nicht ER hatte sich verändert, sondern die Menschen konnten ihn nun durch Jesus Christus besser verstehen.

Liebe Gemeinde, wenn wir heute mit der Trinität nicht mehr so viel anfangen können, dann liegt es vielleicht einfach daran, dass wir mit anderen Voraussetzungen daran gehen, uns Gott vorzustellen. Die größte Gefahr für den christlichen Glauben sind heute nicht mehr andere Religionen und Philosophien, sondern die Sprachlosigkeit. Wir dringen mit unseren Beschreibungen nicht mehr zu den Menschen durch. Deshalb sind wir heute in andere Richtungen auf der Suche danach, Gott in geeigneter Weise zur Sprache zu bringen. Die Medien, die viel mit Bildern arbeiten, machen uns das nicht leichter. Manchmal geraten wir so auch in Versuchung, den Glauben an Gott zu vereinfachen. Der Kinderglaube wird oft hoch gepriesen als „reine“ und unverkrampfte Form des Glaubens.

Aber so ist es eben auch nicht. Wir müssen uns schon auch unsere Gedanken machen. Beziehungsweise kommen diese ganz von selbst, wenn wir in der Bibel lesen. Und dann macht es schon auch Sinn, sich die Diskussionen unserer Vorfahren zu Gemüte zu führen, sie zu durchleuchten und Erkenntnisse daraus mitzunehmen. Gott ist nicht nur im Kinderglauben zu entdecken, sondern auch in der Tiefe der Gedanken und Theorien.

Und wenn wir uns dem stellen, über Gott genauer nachzudenken, dann kommen wir auch auf diese Fragen, wie göttlich Jesus ist und was eigentlich genau der Heilige Geist zu tun hat. Fragen, die auch in der Bibel nicht abschließend geklärt sind und die wir Menschen wohl nie werden klären können. Die Tritintät ist so gesehen eine wichtige Errungenschaft des Christentums. Mit ihrer Hilfe wurde vermieden und wird bis heute vermieden, dass der christliche Glaube von anderen Vorstellungen vereinnahmt werden kann. Aber die Dreieinigkeit bleibt immer nur eine Konstruktion menschlichen Denkens – eine Art Hilfskonstruktion für den Glauben. Denn es ist aus gutem Grund so, dass wir das Geheimnis Gottes nicht erfassen können.

Wichtig und der Bibel gemäß ist, dass wir Gott alles zutrauen, dass wir ihm vertrauen. Dass wir ihm unser Leben anvertrauen und uns selbst und unsere Gedanken nicht zu wichtig nehmen. Die Formel der Dreieinigkeit, die wir in Gebeten und ja vor allem in der Taufe benutzen, erinnert uns immer daran, dass Gott nicht verfügbar ist. Er begegnet uns in verschiedenen Weisen, als Vater, als Sohn und als Geist.

Das kann man als Verwirrspiel verstehen, aber auch als Bereicherung. Denn nun steht er uns auch in diesen Facetten als Ansprechpartner zur Verfügung. Er ist allmächtig und ohnmächtig, menschlich und vergeistigt, verborgen und greifbar. Ich glaube, das war es, was die ersten Christen fasziniert hat und das die Lehre der Dreieinigkeit so populär hat werden lassen: In der Dreieinigkeit ist uns Gott noch näher, rückt uns näher, macht uns aber auch toleranter und bleibt für Überraschungen offen.

Amen.


Georg Rieger, Nürnberg, Juni 2011