Organisierte Sterbehilfe - in der Schweiz akzeptiert, bei uns attackiert

Ein Gesetzentwurf soll die Sterbehilfe liberalisieren aber das Geschäft damit verbieten

In der Schweiz spielen evangelische und katholische Pfarrer bei den Sterbehilfeorganisationen mit. In Deutschland lehnen Kirchenvertreter die Sterbehilfe meistens kategorisch ab. Wie kommt es zu solchen unterschiedlichen Auffassungen?

Erst jüngst hat der ehemalige Ratsvorsitzende und Bischof Wolfgang Huber, der Mitglied des Ethikrates der Bundesregierung ist, die Liberalisierung der Sterbehilfe abgelehnt. Insbesondere für Pflegende und medizinisches Personal solle jede Beihilfe zum Selbstmord strafbar bleiben (epd, 1.8.12).

In der Schweiz dagegen sind ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer an der Sterbehilfeorganisation "Exit" beteiligt. In einem Bericht in "zeitzeichen" (August 2012) erklärt der St. Galler Theologe und Redakteur Daniel Klingenberg, dass die Kirchenleitungen dagegen immerhin nichts unternehmen würden.

Im Gegensatz zu "Dignitas", einer eher umstrittenen Organisation, die vor allem Ausländern beim Sterben hilft, hat "Exit" strikte Regeln aufgestellt und macht ihr Vorgehen transparent. Dazu gehören intensive Gespräche, ein ärztliches Rezept für das Sterbemittel und eine weitere Person als Zeugin des Sterbens.

Ein solches geordnetes Vorgehen wird durch die bisherige deutsche Gesetzgebung gerade verhindert. Eine Person, die ein tödliches Mittel überbringt, muss umgehend den Raum verlassen, weil sie sonst der unterlassenen Hilfeleistung bezichtigt werden kann. Eine "assistierende" Sterbehilfe ist in Deutschland bislang nicht möglich.

In Zürich gab es letztes Jahr einen Vorstoß der Sterbehilfe-Gegner, der per Volksabstimmung aber mit 84,5 Prozent der Stimmen zurückgewiesen wurde. In der Schweiz sei die Akzeptanz der organisierten Sterbehilfe gegenüber groß. Da Parlament verzichtet ausdrücklich auf eine Regelung, was einer Zustimmung zur bisherigen Praxis gleichkomme, so Klingenberg.

Wie kommt es, dass in zwei Ländern mit ansonsten durchaus vergleichbaren politischen Einstellungen zwei so unterschiedliche Positionen entstehen konnten. Die Diskussion hat in der Schweiz offensichtlich schon viel früher begonnen. Klingenberg führt ansonsten ausgerechnet die von Luther vertretene "Freiheit eines Christenmenschen" ins Feld und die aus der Aufklärung hergeleitete Selbstbestimmung des Menschen, die beim eigenen Tod nicht aufhöre.