'Ich will euch wiedersehen'

Predigt zum internationalen Gedenktag an die Sternenkinder


© Pixabay

Von Sylvia Bukowski

Ich grüße Sie, die Mütter, Väter und Geschwister, die um ein Kind trauern und alle, die Ihnen zur Seite stehen.

Wir sind zusammen in einem Gottesdienst,
mitten im Advent,
aber ohne laute Vorfreude auf das kommende Fest.
Es leuchten Kerzen,
aber nicht nur zur Zierde,
sondern als Hoffnungslicht im Dunkel der Trauer
Und die Sterne in diesem Raum,
sie erinnern an die Kinder, die fehlen,
an jedem Tag
und vielleicht besonders an diesem Sonntag im Advent.

Manche der Kinder, die heute fehlen,
haben nie die Düfte und Lieder des Advent gekannt,
haben nie mit leuchtenden Augen die Weihnachtslichter gesehen,
haben nie gemeinsam mit Ihnen die Sterne am Himmel bestaunt.
Aber geborgen im Mutterleib
haben sie erfahren,
was es heißt,
erwünscht, erwartet und von Anfang an geliebt zu sein.

Mit anderen Kindern, um die Sie trauern,
verbinden sich viele Geschichten gemeinsamer Neuentdeckung der Welt,
und auch neuer Wahrnehmung des Zaubers der adventlichen Zeit.
Und während bald wieder viele Menschen
Gottes Kind in der Krippe besingen werden,
spüren Sie schmerzlich den Verlust Ihres Kindes,
das in Ihrer Mitte fehlt.

Jedes Kind, das heute fehlt,
hat unauslöschliche Spuren in Ihr Leben geprägt,
Spuren, die immer wieder in Ihrem Herzen brennen
aus Liebe und aus unendlicher Sehnsucht
Spuren der Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit,
Spuren der glücklichen Momente,
die viel zu schnell vorüber waren.

Ihr habt nun Traurigkeit sagt Jesus kurz vor seinem Tod,
der auch bei ihm viel zu früh kam
für seine Mutter und für alle,
die mit ihm verbunden waren.
Ihr habt nun Traurigkeit:

Ja, das ist so bei allen,
die einen Menschen verlieren,
den sie liebgehabt haben.
Die Traurigkeit ist am Anfang wie eine tiefe Wunde,
als wär das Herz ausgerissen worden.
Später vernarbt sie,
aber die Narben brechen oft wieder auf.
Ihr habt nun Traurigkeit.
Das kennen Sie.
Und Sie haben auch erlebt:
Diese Traurigkeit ist schwer zu ertragen.
Nicht nur für Sie,
auch für viele in Ihrer Nähe.
Sie halten Ihre Tränen kaum aus,
kämpfen damit, keine Antwort zu haben
auf das Warum des vorzeitigen Sterbens.
Sie möchten trösten und wissen nicht wie.
Deshalb flüchten sie manchmal in hilflose Floskeln
und hilflos flüchten sie manchmal auch vor Ihnen.

Auch deshalb ist es gut,
dass Sie als Betroffene
füreinander da sind,
Ihren Schmerz teilen,
sich gegenseitig Ihre Geschichten erzählen
und zusammen mit engen Freunden aushalten:
Ihr habt nun Traurigkeit,
Traurigkeit, die nicht schnell vorbeigeht,
Trauer, die ihre ganz eigene Zeit braucht.

Aber irgendwann auf diesem Weg
dringt vielleicht auch zu Ihnen durch,
was Jesus seinen Worten anfügt.
Ihr habt nun Traurigkeit, sagt er,
aber:
Aber ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen
und Eure Freude wird niemand von euch nehmen.
Und an dem Tag werdet Ihr nichts mehr fragen müssen.

Irgendwann gewinnt dieses Versprechen vielleicht für Sie Gewicht,
kommt zum Leuchten,
füllt sich mit Gewissheit:
So wird es sein.
Irgendwann wir unsere Trauer verwandelt in Freude.
Irgendwann werden alle Fragen beantwortet sein
mit dem Glück des Wiedersehens.

Das Versprechen Jesu wischt die Trauer jetzt nicht einfach weg.
Aber es öffnet den Blick über die Schwärze des Todes hinaus
in eine ungekannte Zukunft
in den Farben des Lebens, voller Jubel.

Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen und eure Freude wird niemand von euch nehmen. Und an dem Tag werdet ihr nichts mehr fragen müssen.

Die Macht des Todes, die so endgültig scheint:
Sie ist begrenzt.
Schon jetzt erleben Sie:
Der Tod konnte viel in Ihrem Leben zerstören,
aber über die Liebe zu ihrem Kind hat er keine Macht.
Die Liebe ist stärker als der Tod.
Die Liebe bleibt,
Sie ist eine Brücke in die andere Welt,
in die Welt Gottes, der Liebe ist.
Und Jesus verspricht:
Die Liebe wird euch in eine neue,
in eine lebendige Begegnung führen,
in ein Wiedersehen,
das endlich alle eure Wunden heilt.

Manche sagen vielleicht:
Das ist nur ein Traum verzweifelter Sehnsucht.
Ich sage:
Es ist eine Hoffnung,
genährt von dem Glauben,
dass der Gekreuzigte Jesus lebt.
Es ist eine Hoffnung,
die das Dunkel der Trauer aufbricht,
nicht wie ein Leuchtfeuer vor aller Welt,
aber wie ein Stern in der Nacht für Ihre Augen.
Und im Glanz dieses Sterns
verbirgt sich das Gesicht Ihres Kindes
Bis zum Wiedersehen.


Sylvia Bukowski
Ansprache zum Tag der Offenen Tür am Kinderhospiz

Von Sylvia Bukowski