''Wer singt, betet doppelt''

Rede des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider beim Johannisempfang in Berlin

EKD. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider hat in seiner Rede beim Johannisempfang der EKD am Donnerstag (28. Juni) am Berliner Gendarmenmarkt das Thema „Glauben und Musik“ entfaltet. Anlässlich des Themenjahres „Reformation und Musik“ der Lutherdekade erinnerte der Ratsvorsitzende an die bis heute prägende Kraft der Musik für die Kirchen der Reformation.

Durch Musik haben die reformatorischen Einsichten damals nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen der Menschen erreicht, sagte der Ratsvorsitzende in der Französischen Friedrichstadtkirche. Zudem habe die Musik in der Zeit der Reformation einen wichtigen emanzipatorischen Effekt gehabt, denn: „Die ganze Gemeinde sang! Musik im Gottesdienst war nicht einem elitären Kreis von Priestern und Chören vorbehalten. Das Zutrauen, auch als einfache Gemeindeglieder die Liturgie aktiv mitzugestalten, stärkte das religiöse Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein der Menschen. Und dieses neue Selbstbewusstsein der Reformation ergriff ganz Europa.“ Der „aufrechte Gang der Freiheit und der tiefe Trost, der mit der Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes in die Seelen der Menschen einzog“ – all das finde sich in der Musik wieder. Insofern habe Martin Luther Recht gehabt, als er sagte: "Wer singt, betet doppelt".

Am Beispiel des bekannten Sommerliedes des Barockdichters Paul Gerhardt („Geh aus, mein Herz, und suche Freud“) entfaltete Schneider die tröstende Wirkung der Musik. Man solle sich davor hüten, „berechtigte und begründete Klagen, Zweifel und Tränen der Menschen“ mit frommen Lob- und Dankliedern „wegsingen“ zu wollen, aber Musik könne helfen „Anspannung, Ängste und Traurigkeit“ zu überwinden. Schneider: „Wir brauchen – gerade in Krisenzeiten – den Ton und den Klang der Freude über die Schönheit der Schöpfung Gottes in unseren Herzen.“ Das Sommerlied Paul Gerhardts könne zu einer Art „Hymne gegen eine Lebensangst, die uns lähmt“ werden. Durch den „Grundton der Freude“ in und trotz aller Leiderfahrungen werde die „vergängliche Ordnung des Todes“ aufgehoben in einer „Ordnung des unzerstörbaren Lebens in Gottes Reich.“

Musik könne die Menschen sinnfällig daran erinnern, dass „ohne einen offenen Himmel über uns die Welt sehr eng“ werde, so Schneider. Die Welt, so Schneider, werde „zur einzigen und letzten Gelegenheit“, denn: „Wer keinen Himmel über sich kennt, der macht menschliche Urteile zur letzten Instanz.“

Schneider sagte weiter, er bemerke eine „politische und mediale Gegenwart“, in der Menschen „zunehmend härter, brutaler und endgültiger“ übereinander urteilten. Ihn beunruhige „diese Atmosphäre des Bloßstellens, des Niedermachens, des Draufschlagens auf Geschlagene.“ Die Möglichkeit der „Anonymität im Netz“ wirke häufig als ein „Problembeschleuniger“, denn so Schneider: „Ein so genannter ,shitstorm‘ ist doch weithin eine hochstilisierte Brutalität in Wort und Sache, die mit einem zivilisierten Freiheitsbegriff nichts zu tun hat.“

Schließlich gelte: „Verantwortliches und nachhaltiges Handeln in der Welt erwächst aus einer Lebenszuversicht und aus einer Zukunftshoffnung, die Gott das erste und letzte Wort überlassen.“ Schneider: „Ein solchermaßen frommes Leben ist nicht unbedingt leichter, wohl aber haltbarer, denn es hat kein Verfallsdatum.“


Berlin/Hannover, 28. Juni 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud…“ - Klänge der Reformation

Rede zum Johannisempfang 2012 von Nikolasu Schneider

 

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