''Theologie und nur Theologie treiben''

Karl Barth-Gesellschaft tagte in Siegen

Karl Barth (1886-1968) ist einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Dr. Niklaus Peter, verheiratet mit Vreni Peter, geborene Barth, einer Enkelin des großen Theologen, sah das nicht immer so. Der Zugang zu Barths theologischem Denken war für ihn schwierig und die 10.000 Seiten seiner „Kirchlichen Dogmatik“ furchterregend.

Erst im Laufe seines Theologiestudiums erkannte Niklaus Peter den Wert der Barthschen klassischen Dogmatik mit ihrer intensiven Gegenwartsbezogenheit. Es war eine anspruchsvolle Kost, die der Schweizer Theologe, Pfarrer am Fraumünster in Zürich, seinen Zuhörern im Evangelischen Gemeindehaus St. Johann-Str. jetzt bot. Die Karl Barth-Gesellschaft hatte zum 125. Geburtstag Karl Barths nach Siegen eingeladen.

Peter nahm seine Zuhörer mit in die Zeit der politischen Umwälzungen seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der theologisch begründeten Warnungen Karl Barths vor diesen Strömungen, die auch vor der Theologie nicht halt machten. Viele Mitchristen und Barths Mittheologen haben die „nationale Revolution“ Hitlers nach der schrecklichen Wirtschaftskrise plötzlich wie eine Offenbarung, wie ein Geschichtszeichen Gottes angesehen. Barth wurde dringlich gebeten, sich zu den Geschehnissen zu äußern.

Das Barth-Zitat: „Theologie und nur Theologie treiben“ stammt aus Barths Schrift „Theologische Existenz heute“, die am 1. Juli 1933 in den Buchhandel kam und innerhalb 14 Tagen vier Auflagen erlebte mit 12.000 Exemplaren. Im Juli 1934 wurde die Schrift verboten und durch die bayerische Polizei beim Verlag beschlagnahmt. Offensichtlich ein hochbrisanter Text in einer hochpolitischen Situation. Barth hatte sich nach vielen Aufforderungen zu den politischen Umwälzungen seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, zu den damit verbundenen Turbulenzen in der Kirchenpolitik – nämlich der sogenannten „Glaubensbewegung der Deutschen Christen“ und ihrer Forderung nach einem Reichsbischof und nach der Einführung des Führerprinzips in der Kirche – geäußert. Er vertrat die Einsicht, dass nur aus der Kraft eines wirklichen christlichen Glaubens heraus, eine angemessene Stellungnahme zu Zeitereignissen in Kirche und Politik möglich sei. Theologische Existenz bedeutete für ihn bereits 1914, aber besonders 1933 ein deutliches Nein zu sagen zu dem entfachten Krieg und nicht einfach diesem Krieg zuzustimmen, ihn gar theologisch als gerechten Krieg zu überhöhen und zu rechtfertigen. Viele Theologen, und auch Barths theologische Lehrer, sahen das damals anders. Karl Barth: „Das, was jetzt unter keinen Umständen geschehen darf, ist dies, dass wir im Eifer für irgend etwas, was wir für eine gute Sache halten, unsere theologische Existenz verlieren.“ Die sah er darin, „dass es in der ganzen Welt keinen dringlicheren Anspruch gibt als den, den das Wort Gottes darauf hat, verkündigt und gehört zu werden; diesem Anspruch muss Genüge getan werden, koste es, was es wolle und werde aus der Welt und aus der Kirche selbst, was da aus ihnen werden möge. In der Kirche ist man sich einig darüber, dass das Wort Gottes Alles und Jedes aus dem Felde schlägt, was ihm widerstehen mag, dass es darum über uns und über alle seine anderen Feinde siegen wird, weil – „gekreuzigt, gestorben, begraben, am dritten Tage wieder auferstanden, sitzend zur Rechten Gottes des Vaters“ – schon ein für allemal über und für uns und alle anderen Feinde gesiegt hat.“

Dr. Niklaus Peter nahm seine Zuhörer mit in das theologische Denken Barths in seinem bedeutenden Römerbriefkommentar. Dieser Brief wurde von ihm nicht irgendwie zeithistorisch, individualpsychologisch oder religionsgeschichtlich begriffen, sondern er hat Paulus als Zeugen des umwälzenden Ereignisses von Kreuz und Auferstehung, als Wort Gottes neu wahrgenommen. Peter hob hervor, dass die neuzeitliche Theologie damals lieber von Religion, von Frömmigkeit, von subjektiven Erfahrungen, von Erlebnis gesprochen habe. Es seien alles Versuche gewesen, den christlichen Glauben irgendwie mundgerecht zu machen, ihm aber genau jene Kraft zu nehmen, die Barth bei Paulus wiederentdeckt hatte. Dazu gehört, dass aus den Zeugen des Wortes Gottes Gott selbst spricht. Mit seiner Arbeit am Römerbriefkommentar hat Barth die Grundlagen gelegt für seine spätere Lehre von der Kirche, seine „Kirchliche Dogmatik“. Damals völlig unzeitgemäß lernte er die Grammatik des Gotteswortes und die christliche Lebenssprache wieder zu buchstabieren.

Die Karl Barth-Gesellschaft mit Sitz in Bünde (Westfalen) wurde 1997 gegründet. Sie widmet sich der Förderung der theologischen Forschung, Bildung und Erziehung im Sinne des Denkens Karl Barths. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Beschäftigung mit Karl Barths Werk zu fördern und für die Ausrichtung dieser Theologie, die, wie Barth unermüdlich einschärfte, in der Person Jesu Christi konzentriert ist.


Text und Foto: Karlfried Petri, Kirchenkreis Siegen, Haus der Kirche, Öffentlichkeitsreferat, 10. Mai 2011