Jesus Christus als Herrn sehen

Predigt zum Pfingstsonntag


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Von Stephan Schaar

Friede sei mit euch im Heiligen Geist,
der uns den Weg zu Gott hin weist!

Liebe Geschwister,

was Pfingsten ist, wissen viele kaum.
Ohne Ostereier und Weihnachtsbaum gibt’s Blumen nur als Dekoration -
was kann man daran erkennen schon?!

Dass Gott seinen Geist ausgießt, wird heut’ gefeiert.
Doch fragst du: “Was ist das?” wird rumgeeiert:
“Geburtstag der Kirche” heißt es dann
- doch ob man damit was anfangen kann?

Ich weiß nicht. Und deshalb fahre ich fort,
indem ich verlese Gottes Wort,
aus der Apostelgeschichte, Kapitel 2,
(was der Verkündigung Grundlage sei):

Sieben Wochen nach dem Passafest
feierte man, was sich feiern läßt:
den Erntedank, Schawuot genannt -
und alles Volk kommt zum Zion gerannt.

Von nah, von fern, von überall her
strömen Fromme zusammen - ein gewaltiges Heer,
aus aller Herren Länder vereint,
ein Sprachengewirr, das chaotisch erscheint,
aus Hebräisch und Griechisch und Medisch und Persisch -
auch Latein, Elamit und Mesopotamisch.

Das war so wie immer und wunderte keinen -
und doch war es anders; denn man mochte meinen,
dass jeder die Sprache des andern verstand,
und sei’s aus dem aller entferntesten Land.

Dazu sah man Feuer, wie Zungen, sich legen,
und himmlisches Brausen hörte man fegen
durch der Pilger Versammlungsort,
wo sie einträchtig lauschten Gottes Wort.

Oder war es der Wein nur, der sie beseelt?
Aber nein: man die neunte Stunde erst zählt!
Die Apostel erhoben sich, Petrus voran,
und setzte zu einer Predigt an:
Geschwister, ihr wisst, was in den Schriften steht,
denn so sagt es Joel, der Prophet:

In den letzten Tagen wird es gescheh’n,
da werden aufs Neue Propheten ersteh’n:
Junge Leute, mit Visionen beglückt,
und Alte, die in Träume entrückt.

Alle, die treu sind, Männer und Frauen,
werden in die Zukunft schauen,
die ich ihnen öffne mit meinem Geist,
dem Tröster, Ermahner, der sie hinweist
auf den Messias, auf Jesus Christ,
der von den Toten erstanden ist:

Jeder, der anruft den heiligen Namen,
der wird in Christus die Rettung haben.

So war es nicht wörtlich, ich bitt’ um Pardon,
denn ich hab es bereimt, hoff’ auf Absolution.
Doch ihr könnt es nachlesen und findet gewiss,
dass unbeschadet der Inhalt ist.

Der Inhalt, die Absicht, die Botschaft, der Sinn:
Worauf zielen all diese Worte denn hin?
Im Zentrum seiner Verkündigung steht
bei Petrus allein Jesus Christus, seht!

Und er stützt sich dabei auf ein Schriftzitat,
das er bei Joel gefunden hat;
dort hör’n wir, daß Gott seinen Geist verspricht
und uns in Aussicht stellt neues Gesicht
der Jungen und Alten, Männer und Fraun,
die seine Stimm’ hör’n und Zukunft schau’n.

Doch lasst uns zuerst seh’n auf die Szenerie!
Denn was sich da zutrug, das gab es noch nie:

Am fünfzigsten Tag - “pentekoste” genannt -
pilgern die Juden ins Heilige Land,
strömen herbei aus dem Mittelmeerraum,
im Glauben vereint, doch versteh’n sie sich kaum:

Denn sie wurden unter die Völker verstreut -
und im Alltag sprechen sie wie diese Leut’
und nicht Aramäisch, so wie im Tempel;
sie fürchten das Stigma, den “Ausländer”-Stempel.

Das war dem verlorenen Aufstand geschuldet,
seither war’n sie verfolgt oder höchstens geduldet.

Doch die Sprachenverwirrung der ganzen Welt
wird schon in der Genesis erzählt:
Erinnert ihr euch an das Turmbau-Projekt,
das man in Babel einst ausgeheckt?

Der Menschen Hochmut strebte nach oben
ihr Genie sollten technische Wunder loben,
mit ihrer Leistungskraft wollten sie zeigen:
“Wir können bis in den Himmel steigen.”

Doch der dort wohnt in den himmlischen Höhen,
mocht’ dies vermessene Treiben nicht sehen
und stieg herab, zu beseh’n diese Sachen -
und fand: “So könn’ sie nicht weitermachen!”

Während man allenthalben bedachte,
wie man als Mensch sich unsterblich machte,
einen unvergesslichen Namen gewinnt,
Gottes Plan seinen Lauf nun nimmt:

Ist zerstört erst die Kommunikation,
erlahmt auch bald alle Interaktion;
wenn niemand weiß, was der andere will,
kommt’s über kurz oder lang zum Still-
stand aller Bauarbeiten,
statt Smalltalk gibt’s nur noch Streitigkeiten.

Weil das auf die Dauer frustrierend ist,
verwaist der Bauplatz nach kurzer Frist.

Die Völker verstreuten sich über die Erde.

Dass einmal daraus wieder eines werde,
das darf man getrost als ein Wunder ansehen.

Wir schauen noch mal hin: Was ist da geschehen?

Von Zungen aus Feuer wird uns berichtet;
die wurden über den Köpfen gesichtet
der Teilnehmenden, die, derart “Feuer und Flamme für Gott”,
ausbrachen aus ihrem täglichen Trott.

Ohne, dass nachhalf ein Sprachinterpret,
verstanden sie plötzlich, was vor sich geht,
öffneten Ohren sich und auch die Herzen,
gingen ihn’n Lichter auf wie 1000 Kerzen:

Worte von Gott kommen bei ihnen an,
gesprochen von einem galiläischen Mann,
ein früherer Fischer und Analphabet,
der sicher von Fremdsprachen nichts versteht.

Was ist ein Wunder? Was man nicht begreift -
oder, dass die Erkenntnis reift:
Entzweiung entsteht aus Hochmut und Stolz
mit Stroh im Kopf und Herzen aus Holz.

Was ist ein Wunder? Was wir nicht verstehen,
selbst, wenn wir’s mit eigenen Augen sehen?
Ein Wunder vor unsern Augen ist dann,
was Gottes Geist hat zu Pfingsten getan:

Er öffnet die Ohren, das Herz und den Sinn
und zieht uns mit Macht zu dem Ewigen hin;
aus vielen Verstreuten werd’n so Gottes Leute -
wie war das? “Geburtstag der Kirche” ist heute,

der Anfang jedweder christlich’ Gemeinde,
in der Sprache und im Glauben Vereinte.
Gemeinsame Sprache - dass wir uns verstehen -
kann nicht allein im Rationellen bestehen!

Es ist ein Mirakel, das uns fasziniert,
wenn über Sprachgrenzen hinweg wird kommuniziert.
Doch der Geist aus der Höhe geht in die Tief’
und rüttelt wach jene, die Gott zu sich rief.

Er lässt sie begreifen, dass sie sind die Seinen,
die sich im Hören und Tun vor ihm einen.

So wurde am fünfzigsten Tage wahr,
was lange schon angekündigt war:

dass Gottes Geist fromme Menschen entzügelt
mit Wort und Bild Phantasien beflügelt,
träumen lässt von Gottes großem Tag,
da alle Welt Frieden haben mag:

dass unter Weinstock und Feigenbaum
Wirklichkeit wird, was zuvor nur ein Traum.
Denk nur mal an, das wär’ heute der Fall:
überall Glückstränen auf dem Erdball!

Niemand müsst’ fliehen vor Hass und Krieg,
‘s gäb weder Niederlage noch Sieg,
Was Hunger ist, wäre längst vergessen;
und wer wäre dann noch konsumversessen?

Grenzen brauchte man keine mehr,
als Flüchtling käme dann niemand hierher.
Man müsste nicht hetzen und nicht eilen,
denn alle würden mit allen teilen

in Freiheit und Solidarität,
so wie es bei Paulus beschrieben steht,
wo er uns ausmalt Freude und Eintracht,
die der Geist Gottes den Christen gebracht.

Doch halt! Jetzt hat es mich fortgerissen,
zu phantasieren selig-beflissen,
zu mischen, was uns verheißen von Gott,
mit dem Traum vom Ende jeglicher Not.

Das steht uns in Aussicht am Ende Zeit,
doch wir leben jetzt - noch ist es nicht so weit.

Wir hausen zurzeit in zerbrechlichen Hütten,
bis einst wir an Gottes Seite wer’n weilen,
wo all unsre tödlichen Wunden heilen,
die Christus auf sich nahm, da er gelitten

das Kreuz, qualvoll Tod: das war unsere Gab’. -
Obwohl man an ihm keine Schuld gefunden,
wurd’ er gefoltert und gebunden,
getötet, hineingelegt in das Grab.

Dann wurde er von den Toten erweckt -,
so wird’s von je her von Christen bekannt,
(obwohl Vernunft solches niemals erkannt’);
Gottes Geist hat es uns aufgedeckt.

Hier endet nicht das Apostolikum,
das noch von Christi Wiederkehr spricht
und von dem letzten großen Gericht -
doch das weiß das fromme Publikum.

Und ebenso ist allen geläufig
der “Dritte Artikel” vom Heiligen Geist,
Gemeinschaft der Heiligen, wie es heißt,
das wiederholen wir ebenso häufig

wie die Vergebung aller Sünden
und die Auferstehung der Toten, -
Formeln, die Tradition ausloten,
Essentials sämtlich,auf die wir uns gründen.

In summa: Was ist nun zu Pfingsten geschehen?
Was ist der Grund für das Fest, das wir feiern?
Ich sage es offen, will gar nichts verschleiern:
Dass Jesus Christus als Herrn wir nun sehen.

“Sehen” meint freilich nicht nur mit den Augen,
denn wie schon bekundet der Kleine Prinz:
das Herz, unsre inneren Augen sind’s,
welche zum wahren Erkennen recht taugen.

Erkennen, durchdringen, eins werden im Geist,
vertrauen und hören auf sein Wort,
ihm nachfolgen, egal zu welchem Ort -
das ist es, was hier “sehen” heißt.

Nun hab ich mein Fazit bereits gezogen
nach diesem Durchgang im weiten Bogen
durch jenen Abschnitt, der heut’ zu beachten,
doch möcht’ ich zum Schluss nun noch eines betrachten:

Rettung, so hieß es, wird denen zuteil,
die Christi Namen anrufen zum Heil.
Doch unsere Stimmen zu ihm zu erheben,
zu beten, zu singen, genügt nicht zum Leben.

Vom Geiste beflügelt, gilt es zu verkünden
Befreiung vom Tod und der Knechtschaft der Sünden;
das ist begriffen im heiligen Namen.
Mit anderen Worten: Man soll uns erkennen,
die wir ihn mit Worten und Werken bekennen,
als mit ihm verbunden im Heil’gen Geist. Amen


Stephan Schaar, Ref. Pfarrer, Berlin