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Biografien A bis Z
(1886-1968)
Karl Barth wurde am 10. Mai 1886 als Sohn des Theologieprofessors Fritz Barth (1856-1912) und seiner Frau Anna, geb. Sartorius (1863-1938) in Basel geboren. 1889 zog die Familie nach Bern um. Dort verbrachte er seine Jugendjahre, in die auch von 1901 bis 1902 der Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Robert Aeschbacher und von 1896 bis 1904 der Besuch des Freien Gymnasiums fiel. Von 1904 bis 1908 studierte Barth evangelische Theologie in Bern, Berlin, Tübingen und Marburg, war 1908/09 Redaktionsgehilfe bei der in Marburger scheinenden „ChristlichenWelt“ und übernahm von 1909 bis 1911 eine Hilfspredigerstelle in Genf.
Von 1911 bis 1921 wirkte Barth dann als Pfarrer in der aargauischen Gemeinde Safenwil. Aus der 1913 mit seiner früheren Konfirmandin Nelly Hoffmann (1893-1976) geschlossenen Ehe gingen fünf Kinder hervor: Franziska (1914-1994), Markus (1915-1994), Christoph (1917-1986), Matthias (1921- 1941) und Hans Jakob (1925-1984). Erschüttert durch das Versagen der damals herrschenden „liberalenTheologie“ angesichts der Herausforderungen jener Zeit exponierte sich Barth einerseits politisch, indem er 1915 in die Sozialdemokratische Partei der Schweiz eintrat und die Arbeiter seiner Kirchengemeinde zu gewerkschaftlicher Solidarität anhielt. Andererseits ging es ihm um eine fundamentale Neuherausarbeitung des Wesens von Theologie und Kirche.
Als Frucht dieser Bemühungen erschien 1919 und, völlig überarbeitet, nochmals 1922 „Der Römerbrief“, ein Kommentar zu jener neutestamentlichen Schrift des Paulus, an der er die Bibel ganz neu zu lesen lernte. Die große Wirkung dieses Buches bis in unsere Gegenwart hinein ist unter anderem daran abzulesen, daß es 14 Auflagen erreicht hat. Mit dem Erscheinen des „Römerbriefes“ begann die akademische Lehrtätigkeit Karl Barths.Sie war durch eine Dynamik gekennzeichnet, die sowohl in der Person als auch in den überstürzenden Ereignissen unseres Jahrhunderts begründet war. Von 1921 bis 1925 ging Barth als Honorarprofessor für reformierte Theologie nach Göttingen.
In diese Zeit fiel auch der Beginn zahlreicher ihm zuteil werdender Ehrungen: Dr. theol. h.c. der Universität Münster 1922, Glasgow und Ehrenprofessor Sárospatak 1930, Utrecht 1936, St. Andrews 1937, Oxford 1938, Entzug 1939 und Neuverleihung 1946 des Dr. h.c. von Münster, Budapest 1954, Edingburgh 1956, Straßburg 1959, Chicago 1962, Sorbonne/Paris 1963.
Von 1922 bis 1933 war er als Mitbegründer und Mitarbeiter der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“ zusammen mit Emil Brunner, Friedrich Gogarten und Rudolf Bultmann, die später ihre eigenen Wege gingen, und dem getreuen Freund Eduard Thurneysen der Hauptvertreter der um diese Zeitschrift sich versammelnden „Dialektischen Theologie“. Von 1925 bis 1930 war Barth Professor für Dogmatik und neutestamentliche Exegese in Münster, sodann von 1930 bis 1935 Professor für systematische Theologie in Bonn. Seit 1929 begleitete ihn seine Mitarbeiterin Charlotte von Kirschbaum (1899-1975), die ihr Leben ganz in den Dienst der Arbeit an dieser Theologie stellte.
1931 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Barths Hauptwerk „Die Kirchliche Dogmatik“ nahm 1932 ihren Anfang mit dem Erscheinen des erstenTeilbandes (KD I/1), der zusammen mit dem zweiten (KD I/2) von1938 als „Die Lehre vom Wort Gottes“ die Prolegommen abildet. Dieses trotz seiner über 9000 Seiten unvollendet gebliebene Werk ging als die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Auf der Arbeit an diesem Werk lag in den folgenden Jahrzehnten Barths Hauptaugenmerk, so daß zwei Bände Gotteslehre (KD II/1 1940, II/2 1942), vier Bände Schöpfungslehre (KD III/1 1945, III/2 1948, III/3 1950, III/4 1951) und vier Bände Versöhnungslehre (KD IV/1 1953, IV/2 1955, IV/3 1-2 1959, IV/4 (Fragment) 1967) erscheinen. Barths wache Zeitgenossenschaft spiegelt sich besonders deutlich in der für den Weg der Bekennenden Kirche in Deutschland grundlegenden Schrift „Theologische Existenz heute!“ von 1933 und in der hauptsächlich aus seiner Feder stammenden „Theologischen Erklärung“ von Barmen 1934 wider.
1935 wurde er aufgrund der Verweigerung des bedingungslosen Eides auf die Person des „Führers“ von der Bonner Universität entlassen. Von 1935 bis 1962 setzte Barth seine Lehrtätigkeit als Professor für systematische Theologie in Basel fort. Der von Anfang an maßgebend am Widerstand gegen den Nationalsozialismus Beteiligte blieb auch von Basel aus mit dieser Thematik beschäftigt - er beteiligte sich 1940 als Soldat im bewaffneten Hilfsdienst am nationalen Widerstand der Schweiz gegen Hitler - und mit der Bekennenden Kirche in Deutschland in enger Verbindung.
Auch in der Nachkriegszeit bewahrte sich Barth seine eigenständige Haltung. Dies zeigte sich sowohl in seiner deutlichen Absage an jeden Revanchismus gegenüber den Deutschen als auch an seiner Haltung im Ost-West-Konflikt: Hier ließ er sich weder zum Kreuzzug gegen den Kommunismus gewinnen noch vor den Karren einer antiamerikanisch gefärbten Weltfriedensbewegung spannen. Damit stieß er hier wie dort auf viel Unverständnis und Ablehnung. Barths Arbeit an der Erneuerung der Theologie und als Mahner der Kirche, ihrem Auftrag treu zu bleiben, wurde dadurch jedoch nicht geschmälert.
Eine gelegentliche Reise- und Vortragstätigkeit in Ost und West, oft verbunden mit der Entgegennahme von Auszeichnungen aller Art, war unter anderem ein Beweis dafür: So reiste er 1936 und 1948 nach Ungarn, folgte 1946 und 1947 dem Ruf auf eine Gastprofessur nach Bonn und besuchte 1962 die Vereinigten Staaten von Amerika; 1952 wurde ihm der Britische Verdienstorden „For Service in the Cause of Freedom“, 1963 der Sonning-Preis für besondere Verdienste um die europäische Kultur in Kopenhagen und 1968 der Sigmund-Freud-Preis der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verliehen, nachdem er zuvor zum „Membre Accocie de l’Academie des Sciences Morales et Politiques del’Institut de France“ und zum Ehrensenator der Universität Bonn ernannt worden war.
Neben seiner akademischen Tätigkeit lag Barth das Predigen stets am Herzen. Seit 1954 tat er es fast ausschließlich in der Basler Strafanstalt. Im Jahr 1956 nahm er das Mozart-Jubiläum zum Anlaß, seine tiefe Liebe zu der Musik dieses Komponisten wiederholt auszusprechen. Mit der im Wintersemester1961/62 gehaltenen Vorlesung „Einführung in die evangelische Theologie“ verließ er das universitäre Amt. In den Folgejahren empfing er zahlreiche Gäste und Besuchergruppen aus der ganzen Welt in Basel, die ihn zu Gesprächen aufsuchten, und nahm von 1966 bis 1968 Seminarübungen an der Basler Theologischen Fakultät wieder auf.
Obwohl Barth seine reformierte Herkunft und Haltung zu keiner Zeit verleugnete, wurde die ökumenische Bedeutung seines Werkes erkannt. Dies ist unter anderem auch daran abzulesen, daß ihm an der ersten ökumenischen Weltkirchenkonferenz 1948 in Amsterdam das einleitende Hauptreferat „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan“ übertragen wurde. Steigende Beachtung wurde ihm auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche zuteil, deren sichtbaren Höhepunkt 1966 der Besuch des Vatikans und die Begegnung mit Papst Paul VI. in Rom darstellte.
Am 10. Dezember 1968 starb Karl Barth im Alter von 82 Jahren in seinem Haus in Basel. Die Gesellschaft möchte zu eigenem Nachdenken des von Barth Gedachten einladen und Mut machen, mit Barth neu zu den Texten der Bibel zu greifen, die unseren Alltag heilsam unterbrechen, indem sie uns alle an den einen Jesus Christus verweisen, der in Kreuz und Auferstehung uns Menschen näher kommt und näher ist, als jeder von uns sich selber nahe zu kommen und nahe zu sein vermag. Durch eine Mitgliedschaft in der Karl Barth-Gesellschaft unterstützen Sie deren Ziele. Als Mitglied unserer Gesellschaft erhalten Sie regelmäßig Berichte über unsere Tätigkeit und Einladungen zu unseren Veranstaltungen sowie Informationen über den jeweiligen Stand der Gesamtausgabe und die Subskriptionsbedingungen.
Weiterführende Informationen:
Nicht mit dem Strom geschwommen: Karl Barth als Lehrer der Versöhnung
Der Triumph Jesu Christi und der Tanzlehrer Heiliger Geist
Alle Dogmatik ist für Karl Barth Christologie, so auch die Versöhnungslehre, das sei vorweg gesagt. Das solus Christus durchzog das dritte internationale Barth Symposion in Emden, auch dort, wo das im Folgenden nicht gesagt ist. „Es gibt gottlose Menschen, aber: Es gibt keine Menschenlosigkeit Gottes“, erinnerte Matthias Zeindler, Professor in Bern, an ein Diktum Barths und sein konsequentes Verständnis des solus Christus.
Barth glaubte nicht an die „Allversöhnung“, wie es bei einem Theologen, der sich für „die souveräne Dominanz der göttlichen Gnade“ aussprach, vermutet werden könnte, sondern an den „Allversöhner“.
Den von Barth einst im Römerbrief selbst genannten „Triumph der Gnade“ deutete er später als „Triumph Jesu Christi“. Der Triumph eines Prinzips – und sei es der der sola gratia – galt es zu vermeiden.
22 Vorträge und zwei Podien von Theologie-Lehrenden aus der Schweiz, den Niederlanden, den USA und Deutschland widmeten sich einem Teil der Kirchlichen Dogmatik (IV), der gegenüber der kirchlichen Tradition keinen Stein auf dem anderen lässt und voller theologischer Entdeckungen steckt. Dies jedoch hat die Rezeptionsgeschichte bis heute kaum wahrgenommen. Das wurde gleich zur Eröffnung der Tagung festgehalten, als der Systematikprofessor Christian Link, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Karl Barth-Gesellschaft e.V., und Marius Lange van Ravenswaay, Direktor der Johannes a Lasco Bibliothek, das Symposion eröffneten.
Die Versöhnungslehre in KD IV schrieb Barth in den Jahren 1951-1968, während – anscheinend wenig versöhnlich – Ost und West sich gegenüberstanden im Kalten Krieg, der, so der Historiker George Harinck, besser Kalter Friede zu nennen sei.
Freiheit des Evangeliums und Engagement für diese Welt
Mit einer steilen These begann die Auseinandersetzung um Barths Stellungnahme zwischen den Fronten Ost und West nach dem Krieg. George Harinck, Professor in Amsterdam, urteilte: Barths Haltung im Kalten Krieg, zwischen den Fronten von West und Ost einen dritten Weg zu suchen, dem die Freiheit des Evangeliums vorangestellt sei, ohne zum Widerstand gegen die real existierenden kommunistischen Regime aufzurufen, verkenne, dass diese Theologie der Freiheit eine Frucht westlicher Kultur sei. Nicht Barths Haltung im Kalten Krieg bedürfe jedoch einer Erklärung, sondern sein Aufruf zum Widerstand gegen das NS-Regime. Diese sei nicht seiner Theologie, sondern den persönlichen Umständen zu verdanken, konstatierte der Historiker.
Barth habe die Freiheit der Theologie verteidigt für eine Kirche, die durch Totalitarismus bedrängt werde, aber auch für eine, die Existentialismus bedränge. Sein Ausgangspunkt sei nicht der Staat gewesen, sondern die Kirche, betonte Harinck. Der Kirche hinter dem „Eisernen Vorhang“ riet er zur Geduld. Öffentlich habe Barth nicht gegen kommunistische Diktaturen Stellung bezogen, sich in privaten Briefen aber sehr wohl kritisch geäußert. Außerdem setzte er sich für die Befreiung inhaftierter Pfarrer in der DDR ein - im Sinne seiner Überzeugung, die Kirche bekämpfe keine Systeme, sondern spreche in einer konkreten Situation, wo „Not am Mann“ sei. Befragt, warum er nicht zum Widerstand gegen Unrechtsregime im Osten aufriefe, war eine Antwort Barths, anders als zur Zeit des Nationalsozialismus habe er nicht vor dem Kommunismus zu warnen, da dieser im Westen schon allgemein abgelehnt werde.
Widerspruch und Widerstand
Harincks Ausführungen und seine These blieben nicht unwidersprochen.
Ihm persönlich habe Barth den Widerstand gelehrt, sagte Michael Beintker, der 1965 in Jena Abitur machte und seine Laufbahn noch vor der „Wende“ als Wissenschaftler in Halle begann.
Rinse Reeling Brouwer, Professor in Groningen und Amsterdam, rief in Erinnerung, Barth habe die Identifikation von Adenauers Politik - samt Wiederaufrüstung! - mit dem Christentum kritisiert und sei deshalb im Westen problematisch geworden. Barths eigene Haltung im Kalten Krieg erklärte Reeling Brouwer damit, wie Barth selbst beschrieb, „was unter dem dem Christen zum Tragen gegebenen Kreuz konkret zu verstehen“ sei:
„Sie werden den Einen als allzu asketisch erscheinen und den Anderen als allzu unbesorgte Lebensbejaher – hier als Individualisten und dort als Kollektivisten, hier als Autoritätsgläubige und dort als Freigeister, hier als Optimisten und dort als Pessimisten, hier als Bourgeois und dort als Anarchisten. Sie werden selten bei der in ihrer Umgebung herrschenden Mehrheit zu finden sein. Sie werden jedenfalls nicht mit dem Strom schwimmen.“ (KD IV/2,689f.)
In der Polemik gegen Barths vermeintliche Sympathie mit dem Kommunismus wurde ihm vorgeworfen, er habe die Untaten im Osten verschwiegen. Dies war jedoch nicht so, nur wurde die Kritik Barths nicht mitzitiert, so Peter Zocher, Leiter des Karl Barth-Archivs in Basel, über die heftigen Angriffe gegen Barths Äußerungen in der Schweiz referierte.
Das einzige, was man Barth in der damaligen Situation im Nachhinein vorhalten könne, sei, dass er nicht gesehen habe, wie erfolgreich das „Demokratieimplementieren“ im Westen Deutschlands dann doch gewesen sei.
Umkehr-Ökumene
Von den zahlreichen Themen, u.a. Predigt, Sakramentsverständnis (dazu später mehr auf reformiert-info), Mission und Sünde, war der Ökumene mit einem Podiumsgespräch ein besonderer Raum gewidmet.
Die Kirchenhistorikerin Andrea Strübind, Professorin in Oldenburg und selbst Baptistin, zeigte sich überrascht, keine nennenswerte Rezeption von Barths Tauflehre mit ihrer Kritik an der Kindertaufe und ihrem Verständnis der Wassertaufe als menschliche Antwort im Glauben auf Gottes Gnadengabe unter den weltweiten Baptisten gefunden zu haben, lediglich eine indirekte im US-Baptismus, in Deutschland gar keine. Letzteres führte sie zurück auf das „Unverhältnis“ zwischen Freikirchen und Landeskirchen und die Desolidarisierung der baptistischen Kirche mit der Bekennenden Kirche 1937. Außerdem gäbe es auch kein einheitliches Taufverständnis unter den Baptisten. Die einen sähen Taufe als Gehorsamsschritt, die anderen betonten das Handeln Gottes in der Taufe als Heilszuspruch.
Nach der zweiten ökumenischen Vollversammlung in Evanston 1954, wo Barth erfolglos versucht hatte, den ÖRK von der Relevanz Israels als ökumenische Frage zu überzeugen, wie Michael Weinrich, selbst Ökumene-Fachmann in Bochum, ausführte, habe er sich entschieden, seine Kraft in die Fortführung der KD zu stecken anstatt in ökumenische Verlautbarungen.
Das solus Christus als soteriologisches Leitkriterium
Als bleibender Impuls blieb Barths Ansatz, die Konzentration ökumenischer Gespräche auf die Ekklesiologie zu verschieben auf die Gemeinsamkeit des Gottesbekenntnisses sowie seine Bestimmung der Ökumene als eine Umkehrbewegung, als eigene Umkehr, wohlgemerkt. Dazu gehöre für sie aber auch die Traditionskritik, ergänzte Johanna Rahner, Dogmatik-Professorin an der katholischen-theologischen Fakultät in Tübingen.
Einen Beitrag zur konfessionellen Ökumene bot in diesem Sinne auch Michael Beintker in seinem Vortrag über Rechtfertigung – Heiligung – Berufung. Nicht mit der Rechtfertigung allein stehe und falle der Glaube. Das solus Christus sei Barth „soteriologisches Leitkriterium“. Der Glaube könne nicht um seiner selbst willen wichtig sein, das sei die Pointe bei Barth gewesen. Das Christusbekenntnis habe er in einer „Fixierung auf narzisstische Frömmigkeit“ bedroht gesehen.
Was heißt Rechtfertigung? In Abgrenzung zu Luthers Ausgangsfrage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, habe Barth gefragt: „Wie kommt Gott zu seinem Recht?“ Und: „Wie kommt der Mensch als Täter des Unrechts zu seinem Recht?“ Es handle sich also um das Problem Gottes mit dem Menschen.
Gottesfrage und Eschatologie
Wie es sich für eine Theologie geziemt, die beim Gott-Nach-Denken anfängt, entzündete sich eine erregte und aufregende Debatte an der Frage nach Gottes Unveränderlichkeit. Barth schrieb, so führte Bruce McCormack, Professor in Princeton, aus: „that a God who would remain unaffected in His being as God by the incarnation is a God who is ‚dead of sheer majesty‘.“ (KD IV/2,93).
Doch was heißt das für die Theologie heute? Die immanente Trinität von der Christologie her zu entfalten, sagt McCormack, der dafür plädiert, die Verbindung von der Unveränderlichkeit Gottes und der Unfähigkeit zu leiden innerhalb reformatorischer Theologie zu trennen: „severing the connection between immutability and impassibility might well be the most important contribution one could make to restoring theological health and vitality to the churches of the Reformation.“
Das Fragen ging weiter: Ist nicht auch das Gericht Gottes, ein Gericht, das Gott durchführt und eins, in dem er selbst vor Gericht steht und in Fragen der Theodizee zur Verantwortung gezogen wird? Wird der Gott, der sich in seinem vollendeten Reich dem Menschen zuwendet, anders sein, als der/die sich in Jesus Christus den Menschen zugewandt hat? Besteht Gottes Unveränderlichkeit in seiner Leidensfähigkeit? Oder kennzeichnen ihn/sie immerwährend gleich Liebe und Gnade? Hat sich Gott nicht längst als die sich Verändernde offenbart, in seiner Reue, in Jesus Christus, als Gott in Beziehung zum Menschen?
Kunst und Glaube: die Kathedrale Feinigers
Die Kunst sei ein Thema der Eschatologie bei Barth, sagte Michael Trowitzsch in einem Nebensatz, während ein paar Meter weiter die Emder Kunsthalle Holzschnitte Lyonel Feinigers zeigte. Im Mittelpunkt dieser Bilder steht eine Kathedrale als „sinnbildliche Darstellung“ des „Baus der Zukunft“, den das Bauhaus in Weimar erschaffen wollte. Sein Gründer, Walter Gropius, schrieb 1919: Architektur, Plastik und Malerei „aus Millionen Händen der Handwerker“ werde einst gen Himmel steigen „als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens“.
Es gebe „mehr säkulare Soteriologie, als wir denken“, sagte Beintker zum Abschluss der Tagung und erinnerte aufmunternd an den Anfang von Barths Versöhnungslehre: das Immanuel. „Gott-mit-uns“, dieser Zuspruch sei auf den Koppelschlössern der in den Krieg ziehenden Soldaten pervers missbraucht worden, aber durch Jesus Christus werde er zu einem Wort, das wir gebrauchen können.
Kampf und Tanz
Karl Barth weiterzudenken und einen Weg „in zukünftige Theologie“ zu gehen, forderte nicht nur Michael Trowitzsch, Professor in Jena, mit einem Vortrag zur Eschatologie der Versöhnungslehre.
Doch dies ist ein steiniger Weg in die Fremde:
a) Auf ihm lauert die Sünde der Trägheit. Auch das TheologInnen-Ich ist ihr nicht gefeit, wenn es zu sich spricht:
„Gott, das hyperaktive Aktionsbündel, lass‘ ich einfach laufen.“ (Frei nach Stephan Schaede, Akademiedirektor in Loccum)
b) Und es gibt die Anfechtung. Auch dort, wo Theologie „als quicklebendiges, der bewegenden Beweglichkeit ihres Gegenstandes entsprechendes Ereignis“ geschieht, wie Magdalene L. Frettlöh, Professorin in Bern, sie sich wünscht, sei ihr gerade in der Anfechtung mit Barths geradezu kämpferisch hart formulierten Appell des Aushaltens und Ertragen allein nicht geholfen. Frettlöh vermisst in Barths „Einführung in die Evangelische Theologie“ das Kyrie eleison, das „an Gott gerichtete Fragen, Klagen und Anklagen“.
Selbst begeistert von Barths „Einführung“, die sie lese „als eine pneumatologisch fokussierte und doxologisch perspektivierte Rechenschaft einer als Weisheitslehre konzipierten durchgängig dialektischen Theologie“, stellte Frettlöh den Aufbau des kleinen Buches mit seiner dreifach viergliedrigen Struktur dar als Tanz der Quadrille, dem Kontratanz mit vier Personen, in dem sich der Geist „als der Tanzlehrer“ erweise.
Im Blick auf den Entwurf einer eigenen Theologie, benannte Frettlöh, was bei ihrem „Lehrer“ Karl Barth fehlt: Mit der Vermittlung theologischer Erkenntnis nach außen lasse Barth uns allein.
Stellvertretend für alle anwesenden Theologie Lernende und Lehrenden fragte sich Cornelis van der Kooi, Professor in Amsterdam:
Ist nun eine Einladung zum Kampf oder zum Tanz gesprochen?
Ende mit Zukunft
Am Ende der akademischen Vorträge, deren Pointen zu verstehen gute Vorkenntnisse in Dogmengeschichte voraussetzte, konnte ein renommierter Barth-Forscher wie Bruce McCormack seine eigene Arbeit an der Versöhnungslehre in die Frage fassen:
Wie kann ich Versöhnung leben mit einer Person, die sie nicht mit mir leben will?
Unter den golden schimmernden Kronleuchtern der Johannes a Lasco Bibliothek fanden die Herausforderungen, wie John G. Flett, Assistent in Wuppertal/Bethel, sie aus eigener Erfahrung erzählte, kaum Widerhall: Wenn er beim Besuch einer theologischen Fakultät feststellen müsse, ihre Bibliothek lasse sich auf einem Sechstel der Regalbretter seiner privaten Sammlung an Fachliteratur unterbringen; wenn Theologen an einem gemütlichen Ort in einem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land ihr Bier tränken, während wenige Meter entfernt ein Unglück geschähe und sie wüssten: Es wird noch nicht einmal ausreichend ärztliche Versorgung für die Verletzten geben.
Die Vorträge des vom Seminar für Reformierte Theologie der westfälischen Wilhelms-Universität Münster, dem Seminar für evangelische Theologie der Universität Siegen, der Karl Barth-Gesellschaft e.V. und der Johannes-a-Lasco Bibliothek in Emden veranstalteten Symposions werden als Sammelband beim Theologischen Verlag Zürich (TVZ) erscheinen.
Die Bände „Emden I“ (2005): Karl Barth in Deutschland (1921-1935) und „Emden II“ (2010): Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935-1950) liegen bereits vor. Emden III wird folgen und die Hoffnung sagt: auch Emden IV.
Nachtrag:
Zu viel Verehrung des Kirchenvaters des 20. Jahrhundert? Die heutigen BarthianerInnen wissen, um die Anekdote, die Georg Plasger, Professor in Siegen, in einer Pause beim Tee erzählte:
Barth gab einem Theologen den Rat:
„Wenn Sie einen Barthianer treffen, sagen Sie ihm: Ich bin keiner!“
Barbara Schenck, 5. Mai 2014
Nicht der Rechtfertigungsartikel, sondern das solus christus, die Christologie sei der Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt, davon war Karl Barth überzeugt. Allein diese Erkenntnis wäre es wert, aktuell im evangelisch-katholischen Gespräch zu leuchten, aber die Barthsche Rechtfertigungslehre biete noch mehr „Türen für weitergehende Einsichten“, so Professor Michael Beintker auf dem Barth-Symposion Anfang Mai in Emden.
„Jesus Christus ist das eine Sakrament“ sagt Karl Barth in der Kirchlichen Dogmatik (KD). Was bedeutet das für die menschliche Freiheit und Gottes Souveränität? Fragt Michael Weinrich in seinem Emder Vortrag 2014.
Emden. Kirchenpräsident Martin Heimbucher hat am Donnerstag, 1. Mai 2014, beim dritten Emder Karl-Barth-Symposium an die direkten Verbindungen Karl Barths nach Emden erinnert.
Zum Internationalen Symposion Karl Barth als Lehrer der Versöhnung: Vertiefung - Öffnung - Hoffnung laden ein: das Seminar für Reformierte Theologie der westfälischen Wilhelms-Universität Münster, das Seminar für evangelische Theologie der Universität Siegen, die Karl Barth-Gesellschaft e.V. und die Johannes-a-Lasco Bibliothek in Emden.
Zur Eröffnung des Symposions „Karl Barth als Lehrer der Versöhnung“, sprach Prof. Dr. Georg Plasger in der Johannes a Lasco Bibliothek.
Die Versöhnungslehre Karl Barths ist Thema eines internationalen Symposions Anfang Mai in Emden.