Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1519-1605)
Der 1519 in Vézelay (Burgund) geborene Beza war Sohn eines königlichen Landvogts aus reichem Adelsgeschlecht. Er wurde in Paris von seinem Oheim, einem Mitglied des Parlaments, großgezogen und kam mit 9 Jahren zur Erziehung nach Orléans in das Haus des deutschen Humanisten Melchior Volmar. 1530 folgte er seinem reformatorisch gesinnten Lehrer nach Bourges, wo er Johannes Calvin erstmals begegnete. Von 1535 bis 1539 studierte Beza in Orléans Jura. Danach widmete er sich in Paris humanistischen Studien und verfasste eine Sammlung lateinischer Dichtungen. 1544 schloss er ein heimliches Verlöbnis mit einer jungen Frau bürgerlicher Herkunft, Claudine Denosse. Nach schwerer Krankheit und großer Seelennot entschied sich Beza endgültig für die Reformation, verzichtete auf seine Pfründen und flüchtete im Oktober 1548 mit seiner Verlobten nach Genf, wo er seine Ehe auf Anraten Calvins durch eine kirchliche Trauung legitimierte.
Seit Herbst 1549 lehrte Beza an der Akademie in Lausanne als Professor Griechisch und war von 1552-54 Rektor der Akademie. In dieser Zeit verfasste er seine bedeutendsten Werke. Gemeinsam mit Clement Marot entstand die französische Übersetzung der Psalmen, die seit 1562 von Loys Bourgeois vertont wurden und als „Hugenottenpsalter“ sehr große Verbreitung fanden.
Nach Auseinandersetzungen mit dem Berner Magistrat verließ Beza 1559 die Lausanner Akademie und wurde Prediger in Genf und Professor für Griechisch an der von Calvin gegründeten Genfer Akademie, deren erster Rektor er war.
1557/58 reiste er dreimal nach Deutschland, um eine Unterstützung der protestantischen Fürsten in Württemberg und der Pfalz für die verfolgten Hugenotten in Frankreich zu erreichen.
In mehreren Schriften reagierte Beza auf Angriffe deutscher Theologen gegen Calvins Abendmahlslehre, zuerst versöhnlich, später mit beißender Satire.
Ab 1560 hielt sich Beza längere Zeit in Frankreich auf. So trat er z.B. 1561 beim Religionsgespräch in Poissy als Wortführer der französischen Protestanten auf. Nach dem Blutbad von Vassy (1562) setzte er sich in Straßburg, Basel und bei den evangelischen Reichsfürsten für die verfolgten Hugenotten ein. Er schloss sich dem Heer des Prinzen Condé als Feldprediger an und begleitete dann Admiral Coligny. Nach dem Friedensschluss im März 1563 kehrte er nach Genf zurück. 1564 starb dort Calvin, dessen Nachfolger Beza kurz zuvor geworden war und dessen Schriften er später herausgab.
Eine intensive Korrespondenz verband Beza mit Theologen, Gelehrten und Regenten in ganz Europa. Als Rektor der Genfer Akademie sorgte er für die Ausbildung reformierter Prediger, die in West- und Osteuropa tätig wurden. Im April 1571 leitete Beza die Nationalsynode von La Rochelle und nahm im Mai 1572 auch an der Nationalsynode von Nîmes teil. Nach der blutigen Niedermetzelung der Hugenotten in Paris, der sog. Bartholomäusnacht, vertrat er in seiner Schrift „Du droit des magistrats“ ein Widerstandsrecht des Volkes gegen eine tyrannische Herrschaft.
Neben umfangreichen exegetischen Schriften beteiligte er sich 1560–1588 an der Genfer Bibelübersetzung. Außerdem veröffentlichte Beza zahlreiche polemische Schriften, etwa gegen Sebastian Castellio, die polnischen Antitrinitarier, vor allem aber gegen einige deutsche Lutheraner (Johannes Brenz, Nikolaus Selnecker, Matthias Flacius, Jakob Andreä). 1586 kam es auf dem Kolloquium in Mömpelgard/Montbeliard zu einer Begegnung mit Andreä; das Gespräch über das Abendmahl endete jedoch im unversöhnlichen Gegenüber der beiden Lager.
Nach dem Tod seiner ersten Frau, Claudine Denosse, heirate Beza 1588 seine zweite Frau, Katharina Plania von Asti. 1598 legte Beza sein Lehramt aus Krankheitsgründen nieder, 1600 zog er sich auch aus dem Pfarramt zurück. Am 13.10.1605 starb er in Genf und wurde in der Kathedrale St. Pierre begraben.
Konfliktlotse Calvin
... die Kirchenzucht des Reformators kam ohne Disziplinierung aus
Was ist verbindlich christlich? Woran ist das typisch Christliche zu erkennen?
Mit ihren Lebensordnungen versuchen die Landeskirchen, sich einen Rahmen zu schaffen. Der Reformator Johannes Calvin setzte im reformierten Genf auf Kirchenzucht.
Neueste Forschungen ergaben, dass es dabei nur selten um das "Abstrafen" wie den Ausschluss vom Abendmahl ging, sondern um seelsorgerliche Lösungen von Konflikten.
Calvin war streng, setzte auf klare, verbindliche Regelungen.
Bemerkenswert ist, dass Calvin eine kollegiale statt einer hierarchischen Leitung förderte. Starke Impulse für die Demokratie in Europa gingen von den Reformierten aus. Anders als die Ökumene in den letzten zwanzig Jahren träumte Calvin nicht von der völligen Einheit der Kirche. Weitherzig betonte er die Vielfalt und sprach von Kirche immer im Plural. [...]
Calvin war ein Stadt-Mensch und lebte in der multikulturellen Stadt Genf, die schon damals überaus international war, weil sie von zahlreichen Glaubensflüchtlingen aufgesucht wurde. Die Flüchtlinge kamen nach Genf, weil sie die reformatorische Theologie Calvins aus seiner weit verbreiteten Dogmatik, der Institutio christianae religionis, kannten, die seit 1536 bereits in mehreren Auflagen erschienen war.
In Genf gab es zahlreiche Konflikte, nicht zuletzt mit dem Rat der Stadt, und es bedurfte schon eines besonderen Geschicks, in den häufig recht sensiblen Situationen immer wieder zu sozialverträglichen Lösungen zu kommen. Der gelernte Jurist Calvin hat auf klaren Regelungen und deren Einhaltung gedrängt. Dabei war die berühmt berüchtigte Kirchenzucht ausweislich der vor einigen Jahren veröffentlichten Protokolle nur im seltenen Extremfall ein Disziplinierungsmittel. Im Normalfall ging es dagegen um Seelsorge, um Streit- und Konfliktschlichtung durch die Kirchenältesten in verfahrenen Situationen.
Wir würden heute von Versöhnungsarbeit sprechen, von der die Erfahrung lehrt, dass sie erst dann erfolgreich funktioniert, wenn die gegeneinander aufgebrachten Parteien durch eine dritte neutrale Person zusammengebracht und nicht mehr nur über den abwesenden Anderen, sondern eben miteinander zu sprechen beginnen. Nur so können sie von ihren Fixierungen befreit werden, in die sie sich hineingesteigert haben. Es geht nicht darum, Urteile zu fällen, sondern die zerstrittenen Personen sollen über die Einsicht zu einer möglichst einvernehmlichen Lösung des Streits gebracht werden. Sie sollten damit aus ihrer Lähmung befreit werden, die immer auch einen Teil ihrer Umgebung in Mitleidenschaft gezogen hat.
In der Presbyterianischen Kirche in den USA gibt es heute eine lebhafte Diskussion über eine zeitgenössische Form der Kirchenzucht als ein Instrument für die Schaffung einer verbindlicheren Gemeinschaft in der Kirche.
Ist die Kirche tatsächlich der Leib Christi, dann folgt sie ihrem Haupt, dem auferstandenen Christus, der die Kirche durch sein Wort regiert. Alles, was es sonst in der Kirche über die verschiedenen Ämter und den Gottesdienst zu sagen gibt, kann sein Recht nur von hier aus beziehen.
Calvin sieht vier Bereiche, für die in der Kirche gesorgt sein muss, wenn sie recht Kirche sein will: Verkündigung, Theologie, Kirchenleitung und Diakonie.
Entsprechend ist das kirchliche Amt auf diese vier Funktionen zugeschnitten: Pastoren, theologische Lehrer, Presbyter und Diakone.
Dieses viergliedrige Amt soll kollegial zusammenarbeiten. Auch wenn der Verkündigung eine besondere Bedeutung zukommt, gibt es keine Über- oder Unterordnung zwischen den verschiedenen Gliedern; jedes ist mit seiner besonderen Aufgabe unverzichtbar, so dass sie sich gegenseitig ergänzen.
Wegweisend und weitsichtig war Calvins ökumenisches Engagement, auch wenn es nicht immer vom Erfolg gekrönt wurde. Es war für Calvin nicht erforderlich, dass die verschiedenen Kirchen in allen Lehrstücken übereinstimmen. Solange sie in den wichtigsten Fragen, wie sie etwa im apostolischen Glaubensbekenntnis formuliert sind, nicht im Streit liegen, darf es auch tolerable Lehrunterschiede geben, welche die Einheit der Kirche nicht gefährden sollten. Calvin hat sich gescheut, die Punkte präzise aufzuzählen, in denen unbedingt Übereinstimmung herrschen sollte, weil eine solche Festlegung die Versuchung mit sich brächte, den Glauben auf diese Lehre statt auf Christus zu fixieren.
Obwohl Calvin in seiner Polemik die römisch-katholische Kirche eine Sekte nennen konnte, weil sie sich auf Menschenlehre gründe, hat er ebenso wenig wie Luther bestritten, dass es innerhalb der katholischen Kirche auch rechte Christen gebe, solange dort eben auch das Glaubensbekenntnis gesprochen werde. Die verschiedenen Kirchen müssen sich auf ihre jeweiligen lokalen Bedingungen einstellen und werden daher zu unterschiedlichen Ausgestaltungen finden. Diese Kontextualität der verschiedenen Kirchen rechtfertigt aber keine Aufkündigung der Einheit mit der universalen Kirche. Die kirchlichen Gebräuche stehen nicht unter dem Druck einer Vereinheitlichung.
Zu viel Vereinheitlichung bringe vielmehr die Gefahr der Überbewertung der Form. Vielfalt ist durchaus erwünscht. Die Bindung an Christus eröffnet hier eine große Freiheit, solange die Grenzen der eigenen Kirche nicht als die Grenzen der Kirche Jesu Christi ausgegeben werden.
Calvins Nachsichtigkeit beschränkte sich keineswegs nur auf den Blick nach außen. Sie galt auch im Umgang mit den Unvollkommenheiten der Geschwister in der eigenen Gemeinde. Er spricht von einem "falschen Wahn einer vollkommenen Heiligkeit". In dem Ideal verwirklichter Heiligkeit lauert stets die Zwietracht, so dass Calvin in ihm eine besondere List des Satans erkannte. Gerade um ihrer Schwächen willen sind die anstößigen Menschen in ganz besonderer Weise der Gemeinschaft bedürftig.
Die Heiligkeit der Kirche steht nicht im Zeichen der Makellosigkeit, sondern lenkt die Aufmerksamkeit auf das erkennbare Bemühen, dem Gott eben die Heiligung nicht verweigere. Es waren immer unvollkommene Menschen, denen Gott seine Barmherzigkeit erweise.
Es bleibt mit einer Heiligkeit der Kirche zu rechnen, die nicht einfach an der jeweiligen Erscheinungsform abgelesen werden kann. Die Verheißung der Heiligkeit gilt nicht irgendeiner unverwirklichten Idealkirche, sondern der geschichtlichen Realkirche.
Prof. Dr. Michael Weinrich, Professor für Ökumenik und Dogmatik in Bochum
Hat Calvin die Menschen in Genf mit strengen moralischen Vorschriften tyrannisiert?
Die Postkarte 'Kirchenzucht' als PDF